Anne Lück Endless Life
Bücherschrank

{Rezension} Endless Life von Anne Lück

 Noés bester Freund ist ein Dämon. Auch wenn die ganze Welt dagegen ist. Denn wer sich mit Dämonen einlässt, begibt sich in höchste Gefahr. Sicherheit versprechen allein die Engel, fast unsterbliche Wesen, die über die Menschen auf der Erde herrschen und ihnen Schutz bieten. Doch Azriel ist anders, als es in den Büchern steht. Und dann kommt Nero, Sohn des obersten Magistrats der Engel, Noés Geheimnis gefährlich nahe. Auf Kontakte zu Dämonen stehen schwere Strafen – was aber, wenn Engel und Dämonen gar nicht so viel voneinander trennt? (Klappentext)

Rezension

  ❧ In der Zukunft haben Engel das Sagen☙

In ihrem Erstling entführt Anne Lück ihre Leser 1000 Jahre in die Zukunft, in eine Welt, in der nicht mehr die Menschen die Herrschenden sind, sondern die „Engel“. Bemerkt sei hier, dass diese Wesen sich nie als Engel vorgestellt haben, sondern diese glorifizierende Bezeichnung lediglich von den Menschen erhalten haben. Ihre Daseinsberechtigung ziehen sie aus der Tatsache, dass sie die Menschen vor den grausamen Dämonen beschützen müssen, die sonst die Welt in Schutt und Asche legen würden.

Für den Einstieg in die Geschichte hat sich die Autorin statt für lange Beschreibungen gleich für einen Sprung ins kalte Wasser entschieden. Gemeinsam mit der Protagonistin Noé wird die Leserschaft mit der Frage „Hast du das mit Diogo gehört?“ mit dem aktuellen Stadtgespräch konfrontiert: Der Bäcker Diogo soll mit den Dämonen gehandelt haben, was unter höchster Strafe steht. Am Vorabend war er von den Engeln verhaftet worden.

Im folgenden  Gespräch mit ihrer Freundin Monja stellt sich sehr schnell heraus, dass Noé die Engel und die mit ihnen in Kraft getretene Regierungsform sehr viel kritischer sieht, als es die meisten anderen Menschen tun. Monja ist ein Paradebeispiel für den Rest. Naiv und vollkommen verblendet besteht ihr einziges Lebensziel darin, einen Engel zum Ehemann zu finden. So erschreckend einfältig diese Person auch ist, sorgt sie doch immer wieder für sehr humorvolle Momente. Im Gegensatz zu Monja kann Noé den Engeln nicht viel abgewinnen. Der Zauber, der alle anderen Menschen so sehr ins Schwärmen bringt, hat auf sie keine Wirkung.

❧ Eine Dreiecksbeziehung der besonderen Art☙

Warum Noé sich so sehr von anderen unterscheidet, erfährt der Leser schon wenige Seiten später. Der Grund heißt Azriel. Er ist ein Dämon, schon seit vielen Jahren mit Noé befreundet und beschützt sie, denn sie hat das Talent, sich gern mal in Schwierigkeiten zu bringen. Seine sehr sarkastische Art bringt einen frischen Wind in die Geschichte, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihm Noé wirklich wichtig ist.

Das Verbot, sich mit Dämonen einzulassen, hat offenbar nicht mehr den gewünschten Effekt. Diogo war nicht der Erste, der verhaftet wurde, und wird nicht der Letzte sein. Die Engel, besonders ihr Oberhaupt Aniguel, sehen sich gezwungen, härter durchzugreifen, und postieren als Konsequenz mehr ihrer Soldaten in der Welt der Menschen – die Überwachung nimmt in hohem Maße zu, doch wieder ist es nur Noé, die die Lage kritisch einschätzen kann.

Mit dieser Entscheidung tritt mit Nero ein weiterer vielversprechender Protagonist auf. Nero ist einer der Soldaten und Aniguels Sohn. Nach jahrelangem, hartem Drill ist er nun bereit, die Akademie zu verlassen. Sein erster Auftrag steht bevor, und obwohl man hier wenig von einer liebevollen Vater-Sohn-Beziehung sprechen kann, hat Nero nicht vor, Aniguel zu enttäuschen.

Mit der Dreieckskonstellation Azriel – Noé – Nero hat die Autorin jeweils einen Vertreter der drei Konfliktparteien zusammengebracht und die Aufteilung der Erzählperspektive zwischen Noé und Nero sorgt nicht nur für Abwechslung, sondern verleiht der Geschichte auch etwas Komplexität. Auf diese Weise werden nicht nur die Menschen eingehender betrachtet, sondern auch die Engel. Lediglich die Dämonen bleiben außen vor, denn Azriel ist keine erzählende Instanz und hält sich auch sonst sehr bedeckt. Besonders die Darstellung der Meinungsänderung von Noé und Nero gelingt auf diese Weise.

❧ Wirklich schön geschrieben, aber …☙

Dass man das Buch nicht aus der Hand legen möchte, ist vor allem dem schönen Schreibstil und der Idee geschuldet. Die Schwachstelle der Geschichte ist leider ein wenig die Umsetzung, denn der fehlt es an Substanz. Viele Dinge hätten viel tiefgründiger ausgearbeitet werden können. Die Ansätze sind immer wieder da, werden jedoch nicht fortgeführt.

Es gibt offenbar Menschen, die sich dem Gebot der Engel widersetzen. Was ist mit denen? Gibt es keine Rebellengruppen? Was ist mit den Dämonen? Abgesehen von Azriel kommen sie in der Geschichte nicht vor. Die Handlungsorte (Noés Zuhause, ihre Schule und der Wald) erscheinen bei einer so weltumfassenden Geschichte extrem beschränkt. Man fragt sich sogar, was Aniguel, der anscheinend die ganze Welt beherrscht, von Noés kleiner Stadt (die auch mal Dorf genannt wird) will … Es bleiben einfach sehr viele Fragen offen. (Zum Beispiel die, was der Titel mit dem Inhalt des Buchs zu tun hat.)

Ebenso wie die Frage, welchen Sinn und Zweck die Figur von Noés Mutter hat. Abgesehen davon, dass ich ihr Verhalten überhaupt nicht verstehe, spielt Noés Familie (also Mutter und Schwester) für die Geschichte gar keine Rolle. Meiner Meinung nach hätte man Noé auch einfach älter machen können. Ich verstehe ohnehin nicht, wieso immer dieses Highschool-Setting sein muss. Ich finde sogar, dass es die  Geschichte viel kleiner macht, als sie es sein könnte.

Auch die Figurenentwicklung erscheint sehr holprig. Nero hat großes Konfliktpotential, das kaum genutzt wird. Er wird eingeführt als starker Charakter, der Würze in die ganze Konstellation bringen soll. Leider klappt das im Folgenden aber nicht mehr, denn plötzlich ist er ja auch nur ein Siebzehnjähriger, der naiv den Worten seines Vaters glaubt. Somit ist sein Verhalten und der Fortlauf der Geschichte sehr vorhersehbar. Auch bei der Beziehung zwischen Noé und Azriel gibt es mehr Löcher als Darstellung, und wie es zu dem „Beziehungsstatus“ zwischen den drei Protagonisten kommt, der am Ende dargestellt wird, ist mir nicht wirklich klar.

Azriel saß seelenruhig auf der Klippe und aß, den Rücken mir zugewandt. Über ihm glänzten die Sterne, als würden sie mich anfeuern wollen. Es war der perfekte Moment, eine solche Gelegenheit würde bestimmt so bald nicht wieder kommen. Lautlos griff ich nach meiner Waffe, als Azriel auf einmal wieder sprach: „Eins noch. Und hör gut zu, denn das sage ich ganz sicher nur einmal: Danke, dass du Noé nicht verraten hast.“ (Lück: Endless Life, S.262)

Wie eben kurz erwähnt, ist der Schreibstil der Autorin besonders schön. Flüssige, nicht zu ausufernde Beschreibungen unterfüttern die Gespräche der Figuren. Auch mit Humor und Sarkasmus wird nicht gegeizt, was die Lektüre oft auflockert.

Fazit

Mit „Endless Life – Der Weg des Unsterblichen“ beweist Anne Lück durchaus besonderes Schreibtalent. Eine interessante Idee, einnehmende Figuren und eine Menge Humor und Sarkasmus fesseln die Leser an das Buch. Der Ausarbeitung des Plots und der Charakterentwicklung fehlt es aber leider an Substanz.

Die Autorin arbeitet momentan am zweiten Band der Geschichte. In der Hoffnung, hier ein paar mehr Erklärungen zu finden, schreibe ich es mir schon mal auf meine imaginäre Leseliste. ;)

Bewertung

drei_sterne
Anne Lück: Endless Life – Der Weg des Unsterblichen I Edition Octopus I 384 Seiten I 978-3-95645-000-6 I 16,95 Euro (Taschenbuch)

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