Rezension Dark Queen von Kimberly Derting | Romantasy | Romance | Fantasy | Dystopie | Märchen | Propaganda | Tintenmeer
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{Rezension} Dark Queen von Kimberly Derting

In dem von Aufständen erschütterten Königreich Ludania bestimmt die Zugehörigkeit zu einer Klasse, welche Sprache du sprichst – oder verstehst. Wenn du vergisst, wo dein Platz ist, kennen die Gesetze der Königin keine Gnade. Allein auf den Blickkontakt mit gesellschaftlich Höhergestellten steht der Tod. Die siebzehnjährige Charlaina – kurz Charlie – versteht alle Sprachen, jeden Dialekt. Eine gefährliche Fähigkeit, die sie schon ihr ganzes Leben lang verstecken muss. Nur in den illegalen Clubs im Untergrund der Stadt kann sie das für kurze Zeit vergessen. Dort trifft sie den geheimnisvollen Max, der eine Sprache spricht, die Charlie noch nie gehört hat, und der beinahe ihr Geheimnis entdeckt. Und als die Rebellen die Stadt schließlich überrennen, ist er es, der erkennt, dass Charlie der Schlüssel für ihren Sieg sein könnte. Doch für wen wird Max sich entscheiden, für das Mädchen, das ihn fasziniert, oder für seine Königin? (Klappentext)

Rezension

Schweigen ist Gold

Charlaina Hart ist etwas Besonderes und das bringt sie und ihre Familie in große Gefahr, denn im Königreich Ludania herrscht Königin Sabara mit eiserner Hand und strengen Gesetzen. Die Todesstrafe ist für das kleinste Vergehen an der Tagesordnung. Die Gesellschaft ist geteilt durch ein striktes Kastensystem. Diener und ihre Kinder stehen unter Kaufleuten, die unter Ratsherren und die unter der königlichen Familie.

Abgesehen von den Verboten trennen die Kasten nicht nur hierarchisch, sondern auch sprachlich. Ein Sachverhalt, der für mich einen großen Reiz am Buch ausgemacht hat. Dienstboten steht nur die niederste Sprache Englaise zur Verfügung, Kaufleuten Englaise und Parshon und den Ratsherren Termani und die beiden niederen Sprachen.

Je nach dem, wohin man gehört, gibt es schon hierdurch unüberwindliche Distanzen, denn höhere Sprachen als die eigene darf man nicht sprechen, noch nicht einmal verstehen. Charlaina aber hat die Gabe, alles zu verstehen, ob gesprochen oder geschrieben.

Königin, unterdrücktes Volk, mittelalterlich, geheime Gaben: Man könnte meinen, man hat hier eine typische Fantasygeschichte vor sich. „Dark Queen“ will aber eine Dystopie sein.

Eigentlich spielt die Geschichte aus heutiger Sicht in der Zukunft: Diese ganze Sache mit der Demokratie hat nicht wirklich geklappt, es gab Volksaufhetzung, zu viel Freiheit und irgendwann war das Land handlungsunfähig und von den Nachbarländern wirtschaftlich isoliert.

Die Beschreibung dieses Vorgangs fand ich etwas merkwürdig. Sicherlich hätte man auch einen logischeren Weg gehen können – aber das sei dahingestellt. Die Monarchie musste wieder her und mit ihr kamen dieses Mal strengere Gesetze und das Kastensystem, um Land und Menschen davor zu bewahren, diesen demokratischen Fehltritt noch einmal zu begehen. Abgesehen von diesem Element gibt es aber noch mehr.

Es war einmal …

Wie der Untertitel „Schwarze Seele, schneeweißes Herz“ schon andeutet, erzählt Kimberly Derting hier eine Geschichte, die nicht nur dystopisch und fantastisch ist, sondern auch märchenhafte Elemente vereint: die verschwundene Prinzessin, die böse Königin, der rettende Prinz, die magischen Gaben.

Vor allem die der Protagonistin Charlaina ist typisch: Sie versteht alle Sprachen. Im Märchen ist es nicht unüblich, dass der Held in der Lage ist, mit Tieren usw. zu kommunizieren.

Dennoch wird klar, dass Derting hier nicht nur ein Märchen erzählen will. Die märchenhaften Elemente nehmen nicht überhand, doch auch das Dystopische geht fast ein bisschen unter. Dem mittelalterlichen Teil wird am meisten Platz eingeräumt, was ein wenig schade ist, da so ein kleines Missverhältnis entsteht.

Dass dies eine Dystopie ist, die in der Zukunft spielt, vergisst man dadurch nur allzu leicht und ist überrascht, wenn doch auf einmal ein modernes Objekt wie ein Auto darin vorkommt.

Auch die Gräueltaten, die das Volk den ganzen Tag mit ansehen und bejubeln muss, waren mir ein bisschen zu schnell abgehandelt. Hinrichtungen sind nur eine Randnotiz. Daraus hätte man meiner Meinung nach sehr viel mehr machen und der Geschichte eine viel größere Komplexität verleihen können.

Kurz dachte ich an die Frau, die ich damals gesehen hatte, die mit dem gestohlenen Ausweis, und ich überlegte, wie es wohl für sie gewesen war, als sie dort am Galgen stand, umgeben von johlenden Zuschauern. Ich fragte mich, ob ihre Familie gekommen war, um zuzusehen. Ob sie die Falltür gesehen hatten, die sich unter ihren Füßen geöffnet hatte. Ob sie die Augen schlossen, als sich das Seil um ihren Hals festzog, und ob sie weinten, als ihre Füße unter dem leblosen Körper baumelten.
Dann mahnte uns eine Stimme aus dem Lautsprecher: „EIN FLEISSIGER BÜRGER IST EIN GLÜCKLICHER BÜRGER.“ (S.23)

Doch der Fokus liegt auf Charlaina. Besonders schade ist, dass sie kaum etwas aus eigenem Antrieb tut, sondern vom Plot mitgerissen wird. Äußere Faktoren treiben sie permanent dazu, sich der aktuellen Situation anzupassen, selbst unternimmt sie kaum was, ist die meiste Zeit recht ahnungslos. Damit bestätigt sie aber ihren Ursprung als märchenhafte Heldin.

Fazit

Trotz dieser Schwächen, die dem Märchen eben immanent sind, ist „Dark Queen“ ein schönes Jugendbuch mit sympathischen Charakteren, die auch die eine oder andere Überraschung bereithalten. Ich würde es eher für jüngere Leser empfehlen, denn harten Tobak gibt es kaum, und wenn dann nur sehr entschärft. „Dark Queen“ ist ein modernes Märchen, das für ältere, anspruchsvollere LeserInnen vermutlich zu wenig Reibungspunkte liefert. Mir hat es im Königreich Ludania aber trotzdem gut gefallen.

Bewertungvier_sterne

Hardcover, 360 Seiten I Egmont INK I 978-3-86396-017-9 I 17,99 Euro

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6 Comments

  • Reply wuscheldarki 9. April 2014 at 11:05

    Oh wow, dachte sofort bei dem Cover: Na, da sis eh nix fuer mich, da kann ich die Rezension ja ruhig lesen. Und danach hab ich jetzt Lust auf das Buch..so ein Mist.Vielen Dank auch!

    • Reply tintenmeer 11. April 2014 at 7:52

      Soll ich sagen: „Tut mir leid!“? :) Hihi. Danke sehr!

  • Reply booksandmore81 9. April 2014 at 19:44

    Sehr schöne Rezension, die Freude auf das Buch macht. Wieder eines, dass auf meiner Liste gelandet ist… zu den vielen anderen, die sich tummeln und laut nach Kauf und Aufmerksamkeit rufen… mal sehen, wann ich sie denn erhören kann.

    • Reply tintenmeer 11. April 2014 at 7:53

      Stimmt, das ist immer sehr gefährlich. Mein Stapel hier schwankte auch bedrohlich und schreit. :) Danke für das Lob!

  • Reply booksandmore81 9. April 2014 at 19:46

    Hat dies auf booksandmore81 rebloggt und kommentierte:
    Im Königreich Ludania spricht man, je nach Stand, unterschiedliche Sprachen. Auf Vergehen sind Strafen angesetzt und doch kann Charlie alle Sprachen verstehen…

    Eine gut geschriebene Rezension zu einem interessanten Buch :-)

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