Buchspringer Gläser
Bücherschrank

Die Buchspringer von Mechthild Gläser

Amy und ihre Mutter flüchten – vor einer in die Brüche gegangenen Beziehung einerseits und Mobbingattacken andererseits. Es geht zurück auf die Insel Stormsay, von der Amys Mutter vor 17 Jahren als junge Schwangere weggegangen ist. Die schicksalhaften Gründe hierfür soll Amy bald erfahren und auch, dass sie eine besondere Gabe hat. Sie ist eine Buchspringerin. Als eine Art Wächter betreuen diese die Geschichten und sorgen dafür, dass damit nichts schief läuft. Genau das passiert aber gerade. Ein Dieb geht um in großen bekannten Geschichten, stielt wichtige Elemente daraus und zerstört sie auf diese Weise. Nur leider glaubt Amy das niemand – bis es fast zu spät ist.

Rezension

Kristina hat das einzig Richtige festgestellt: „Ein Buch über Bücher geht immer!“ Da kann ich ihr nur zustimmen. Seltsam, aber Bücher über Bücher sind doch der Büchernerds liebste Geschichten. Meine ist übrigens noch immer „Das Labyrinth der träumenden Bücher“ von Walter Moers. Mehr Buch im Buch gibt es gar nicht!

Für „Die Stadt aus Trug und Schatten“ wurde Mechthild Gläser 2013 mit dem Seraph  für das beste Debüt ausgezeichnet. Nun legte sie nach – mit einem Buch über Bücher, das noch dazu eine der schönsten Covergestaltungen besitzt, die ich seit Langem gesehen habe. Dafür möchte man schon fast einen Extrastern vergeben. Denn das Cover ist nicht nur besonders hübsch, die Farben superansprechend, sondern es spiegelt auch die Geschichte sehr passend wider. Mir persönlich ist so was immer wichtig.

Und nun kommt schon die Kritik und vermutlich bin ich die Einzige, die sich daran stört, aber ich störe mich eben daran. Was das Cover auch noch bestens darstellt, ist, dass es sich bei dieser Geschichte eindeutig um ein Werk handelt, das für die jüngere Leserschaft gedacht ist. Der Verlag kennzeichnet es gängig mit ab 12. Das ist meiner Meinung auch das passende Alter für diese Geschichte. Eher jünger als älter. Ich würde es tatsächlich als Kinderbuch einordnen. Wären die Protagonisten auch in diesem Alter, hätte die Geschichte mehr „gepasst“. Leider ist Amy knapp 16, Will sogar noch älter.  Ein Aspekt, der für mich immer wieder ein „das passt alles nicht so richtig“-Gefühl beim Lesen aufgewirbelt hat. Ich würde schon fast behaupten, dass sie Figuren ursprünglich mal jünger konstruiert waren und „älter geschrieben“ wurden. Das Warum ist mir allerdings nicht klar, denn diese Geschichte braucht keine so „alten“ Protagonisten. Ich finde, das führt (besonders ältere) Leser gleich zu Beginn auf eine völlig falsche Fährte, schürt Erwartungen, die die Geschichte überhaupt nicht erfüllen kann oder will.

Amy begibt sich auf ihrer Reise auch nicht in Bücher, die dazu gedacht sind, die Jugendlichen von heute anzusprechen. Sie reist durch Kinderbücher: Das Dschungelbuch, Alice im Wunderland, der kleine Prinz, Peter Pan – natürlich nicht ausschließlich. Auch Stolz und Vorurteil, Die Leiden des jungen Werther und Macbeth spielen eine kleine Rolle. Dass Geschichten gewählt wurden, die allseits bekannt und beliebt sind, finde ich aber auch schön. Doch das allein reicht leider nicht.

Die ganze Geschichte und die Figuren bleiben mir viel zu oberflächlich. Es gibt keine Komplexität. Auch wenn Amy und Co. nette Figuren sind, die man gern ins Herz schließt und auf ihrer Reise begleitet, scheinen sie doch nur eine Fassade zu sein. Ihre Probleme und Sorgen scheinen sie nicht so richtig zu tangieren. Amys Mobbing-Problem – heute ein absolut großes Thema – wird zwar angerissen, scheint aber fast völlig vergessen, als sie mit ihrer Mutter auf der Insel Stormsay ankommt. Auch der heftige Liebeskummer ihrer Mutter ist nun wie weggeblasen. Etwas, das zumindest Amy auch einmal kritisch kommentiert! Auch bei den anderen Figuren war es ähnlich. Ich hatte das Gefühl, ihnen wurden einfach Etiketten mit Problemen aufgeklebt, die sie letztlich doch nicht so tangieren oder sich in Wohlgefallen auflösen. Das war wirklich schade. Denn, wie heißt es doch so schön: Potenzial ist da.

Das Gleiche, was mich an den Figuren störte, die Oberflächlichkeit, gilt auch für die Geschichten, in die Amy springt. Sie sind bekannt und toll, aber so richtig viel bekommt man davon nicht mit. Das Dschungelbuch ist nur eine ständige Durchgangsstation, Shir Khan darf zwei, dreimal durchs Bild hüpfen, es gibt ein kurzes Intermezzo bei Stolz und Vorurteil und wir schauen mal fix bei der Teeparty vom Hutmacher vorbei. Ich hätte mir gewünscht, dass sich mehr mit den Geschichten auseinandergesetzt wird. Leider bleibt das ebenso oberflächlich – für ein Kinderbuch allerdings wieder völlig ausreichend.

Fazit

Wie ein kleiner Aspekt eine Geschichte so stark beeinflussen kann, sieht man an dieser hier sehr deutlich. Mit dem Alter der Protagonisten hat sich die Autorin leider ziemlich vergriffen und damit das ganze Gefüge der Geschichte ausgehebelt. Für mich jedenfalls. Als Kinderbuch, dessen Protagonisten 12 oder 13 Jahre alt sind, hätte das alles besser funktioniert. Für ein Jugendbuch fehlt es erheblich an Komplexität, Tiefgang. Es fehlt an Anspruch und Auseinandersetzung mit den klassischen Geschichten, die die Autorin in ihr Buch einbezieht. Ich würde das Buch jüngeren Lesern aber durchaus empfehlen, denn es bietet eine nette magische Geschichte mit einem locker-leichten Schreibstil.

Bewertung

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