julia dibbern wenn ich dich nicht erfunden hätte
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{Rezension} Wenn ich dich nicht erfunden hätte von Julia Dibbern

Leo ist aufgeregt, aber bester Dinge, als sie fürs Studium allein nach Hamburg zieht. Doch die Unabhängigkeit stellt sich als gar nicht so einfach heraus, denn plötzlich muss Leo mit einem Biotop im Badezimmer und dem vermeintlichen Hammermörder als Nachbarn klarkommen. Und dann trifft sie auch noch auf Loris, was nur halb so kompliziert wäre, hätte sie nicht das Gefühl, ihn längst in- und auswendig zu kennen: aus den Geschichten, die sie schreibt, seit sie einen Stift halten kann. Doch wie ist das zu erklären? Kann es Seelenverwandtschaft wirklich geben? Und … wie soll sie mit den Seiten von Loris umgehen, die sie nicht erfunden hat – den dunklen Seiten? (Klappentext)

Rezension

Für Leo bedeutet es Freiheit. Sie ist endlich 18 und zieht zum Studieren nach Hamburg. Die neue Unabhängigkeit stellt sich zwar als gar nicht so leicht heraus, aber aufgeben will Leo um keinen Preis. Da nimmt sie sogar die schäbige Absteige in Kauf, in der sie gelandet ist. Mit dem Schimmel an der Wand und dem Wasserfall im Bad, wenn es regnet. Aber das ist natürlich ein Zustand, den sie schnellstmöglich ändern muss. Als sie Loris trifft, scheint das Licht am Ende des Tunnels sichtbar. In zweifacher Hinsicht: Zum einen kann er ihr ein Wasserfall-freies Obdach bieten. Zum anderen scheint sie ihn schon ewig zu kennen. Er ist genauso wie der Junge, den sie sich in all ihren Geschichten ausgemalt hat, und zwar auch mit seinen dunklen Seiten …

Leo ist ein sehr naives Mädchen, das viel auf seine Träumereien gibt. Anfangs war sie mir sehr sympathisch. Ich habe in dieser Albtraumwohnung mit ihr gelitten – vielleicht auch, weil ich selbst weiß, wie es sich in so einer Behausung lebt. Ihre Verzweiflung war greifbar und von der Autorin toll beschrieben. Ebenso der innere Kampf Leos, die dieses kleine bisschen Freiheit – so hässlich es manchmal sein mag – nicht wieder loslassen will.

Dann tritt Loris in Leos Leben. Sie glaubt, in irgendeiner Weise mit ihm seelenverwandt zu sein, und hält an diesem Gedanken fest – auch gegen die Widerstände ihrer besten Freundin. Einerseits zeugt das von einer gewissen Stärke, andererseits hatte ich damit Probleme, denn die Autorin schafft es nicht, eine Grundlage für dieses seltsame Gefühl zu schaffen. Es ist wie eine fixe Idee in Leos Kopf, die sich dort festsetzt. Beim Lesen konnte ich dann allzu oft nur mit dem Kopf schütteln über diese naive Protagonistin und ihre selbstzerstörerischen Tendenzen. Es fehlte mir hierfür einfach eine glaubhafte Begründung. Diese bringt die Autorin zwar irgendwann – doch leider für meinen Geschmack viel zu spät.

Loris ist ein junger Mensch mit einem großen Haufen Probleme: Alkohol, Drogen, Sex, sein Elternhaus. Nur so viel zur Thematik, denn ich will nicht spoilern. Als Charakter fand ich ihn interessant, doch leider blieb mir sein Hintergrund und sein Denken zu blass, um wirklich mit ihm zu fühlen. Er scheint mir weniger als Figur wichtig zu sein, als vielmehr als große Prüfung für Leo, um erwachsen zu werden.

Die Entwicklung des Plots hat mir gut gefallen und die Autorin hat auch keine Angst vor der Drogenthematik ihres Buches. Da die Geschichte in der personalen Perspektive von Leo (mit kleinen Ausreißern in die Perspektive von Loris) geschrieben wurde, kommt man der Protagonistin nahe, erfährt viel von ihren Hoffnungen, ihren Zweifeln, ihren Ängsten. Das alles wurde sehr intensiv dargestellt – insbesondere auch die extreme Veränderung in ihrem Denken und ihrer Persönlichkeit unter dem Einfluss gewisser Substanzen. Dafür Hut ab.

Fazit

„Wenn ich dich nicht erfunden hätte“ von Julia Dibbern ist keine lockere Lovestory. Wer das erwartet, wird definitiv enttäuscht. Vielmehr ist es eine Geschichte vom Erwachsenwerden – und das ist ganz und gar nicht leicht. Trotz des anspruchsvollen Themas konnten mich die Charaktere nicht völlig überzeugen. Loris blieb zu blass und Leos Motivation war nicht immer nachvollziehbar.

Bewertung

Julia Dibbern: Wenn ich dich nicht erfunden hätte | ink rebels | 354 Seiten | Taschenbuch | 978-3958692794 | 12,90 Euro

Vielen Dank an die Autorin für das Rezensionsexemplar!

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