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{Rezension} Ein Einhorn für alle Fälle: Ein Dirks-Diary-Roman von Caroline Brinkmann

Es ist aus. Aus und vorbei. Das teilt Freund Paul, jetzt Ex-Freund, Studentin Rabbit nach zwei Jahren Beziehung über Facebook mit. 48 Freunden gefällt das. Um diesen Schock zu verkraften und Paul eifersüchtig zu machen, zieht Rabbit in eine WG mit dem Computerexperten Dirk. Der neue Mitbewohner entpuppt sich jedoch als übergewichtiger Nerd, der echte Menschen ebenso sehr fürchtet wie Keime. Kurz gesagt, kein Mann, der Selfie-tauglich ist. Andere Pläne müssen her. Wozu gibt es Facebook, Twitter und YouTube? Es kann doch wirklich nicht so schwer sein, den Exfreund auf sich aufmerksam zu machen, oder? Zur Not kann man immer noch Katzenbilder posten. Die liebt nun wirklich jeder! (Klappentext)

Rezension

Gott sei Dank gibt es sie manchmal noch. Die Bücher, die einen aus den Latschen hauen. Die Bücher, die mit nichts vergleichbar sind, was man je gelesen hat. Die einem ein Dauergrinsen bescheren und aus denen man sogar etwas für sein eigenes Leben mitnehmen kann. „Ein Einhorn für alle Fälle“ ist so ein Buch.

Wie bin ich eigentlich auf dieses quietschbunte Büchlein aufmerksam geworden? Tja, eigentlich gar nicht so 100 % mein Beuteschema, ABER ich kannte die Autorin schon und liebe ihre genialen Dirks-Diary-Anekdoten, die sie regelmäßig in einer Facebook-Gruppe zum Besten gibt. Nerdig, ironisch und einfach verdammt witzig! Da war klar, dass ich ihren Roman, basierend auf den Anekdoten, unbedingt haben musste! Und kaum war er runtergeladen, habe ich mich kopfüber ins Lesevergnügen gestürzt …

Ich hatte auch schon ein älteres Buch von Caroline gelesen und muss sagen, dass sich ihr ohnehin schon toller Schreibstil nochmal weiterentwickelt hat! Locker-leicht, lebensnah, voller flotter Dialoge und auf den Punkt bringt sie einem die Gedanken von Rabbit nahe. Sie erzählt aus der Ich-Perspektive und ich hatte dank ihres genialen Humors sofort eine Verbindung zu ihr. Mein Grinsen war mir während der gesamten Lesedauer im Gesicht „festgetackert“. :D Und wisst ihr was? Das hat NOCH NIE ein Buch geschafft! Ich finde, Humor ist immer verdammt schwierig an den Leser zu bringen. Wenn es gut läuft, gibt es ein paar coole Sprüche und Gags, über die ich schmunzele und das war´s. Aber die Autorin fackelt hier ein wahres Gag-Feuerwerk ab!

Ob es um Rabbits „hochmotiviertes Fitnessprogramm“ ging, ihre selbstverliebten Freunde, allen voran eine komplett verstrahlte Erotikautorin mit Geltungsdrang oder um ihre Liebe zu hässlichen Kaninchen, Zombiespielen und ihrem Basilikum Helga, ich hab mich gekringelt und mich in der ein oder anderen Situation selbst wiedererkannt. Die Geschichte enthält so viele liebevolle Details, dass man einfach nur überwältigt sein kann. Es macht das Buch zu etwas Besonderem, einem kleinen Schatz. <3

Rabbits häufige Ausflüge in die sozialen Medien habe ich sehr genossen. Wenn man von Facebook, Instagram, Snapchat, Twitter, YouTube & Co. noch nicht so viel Ahnung hat, wird man hier bestens aufgeklärt (einen Hang zu Sarkasmus allerdings vorausgesetzt). Es gibt zu Beginn eines Kapitels immer wieder Ausschnitte aus dem „Survival Guide Online“ und diese sind ein echtes Highlight – ich hab mich jedes Mal gefreut, wenn ein neues Kapitel angefangen hat und wieder ein Auszug daraus auf mich wartete. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass die Geschichte eher was für jüngere und jung gebliebene Leser ist, die mit der skurrilen Welt der sozialen Medien schon etwas vertraut sind, sonst versteht man wahrscheinlich nur Bahnhof.

Bei den Charakteren gefiel mir Dirk, der menschenscheue Nerd mit Herz, wirklich gut. Da sieht man mal wieder, dass vor allem die inneren Werte zählen und welchen Wert wahre Freundschaft und echter zwischenmenschlicher Kontakt haben; im Gegensatz zur oberflächlichen Onlinewelt. Besonders toll fand ich, mit welchen Kleinigkeiten er Rabbit immer aufgeheitert hat. So einen Mitbewohner wünscht sich jeder! Wobei … Das mit dem Desinfektions-Tick, daran arbeiten wir noch … ;)

Rezension | Ein Einhorn für alle Fälle | Dirks Diary | Caroline Brinkmann | Bücher | Unicorn | Facebook | Social Media | Humor | tintenmeer.de

Rabbit gefiel mir wirklich gut und ich hab sie gern auf ihrem kuriosen Weg begleitet. Viele ihrer Probleme kamen mir bekannt vor und so war ich mittendrin, statt nur dabei! Nur ihre Naivität und extreme Unsicherheit haben mich manchmal ein bisschen gestört. Zu Anfang war es vollkommen okay, aber im Laufe des Buches dachte ich, dass sie eine Entwicklung durchmachen würde. Ein bisschen mehr Offenheit und Selbstbewusstsein hätten gut gestanden. Aber ich muss auch sagen, dass es zur Geschichte passte und dafür wohl genau so notwendig war.

Zu den anderen Charakteren kann ich nur sagen: Oh Mann! Sie wären echte Traumkandidaten für jede Reality-Soap – Dschungelcamp lässt grüßen! Die Autorin hat es so auf die Spitze getrieben mit deren Selbstverliebtheit und Aufmerksamkeitsdrang, dass sie schon etwas von einer Karikatur hatten. Vor allem die Self Publisher-Möchtegern-Erotikautorin Ave Green hat es mir angetan, aber auch „der wahre Mr. Grey“ und unsere „Hulk-Fitnessfreaks“.

Wohingegen ich es schon traurig fand, dass Rabbit offenbar keine richtigen Freunde hat, vor allem Sarah, ihre angeblich beste Freundin, war total daneben. Eigentlich hatte ich gehofft, dass Rabbit ihr (und einigen anderen) mal ordentlich die Meinung geigt, aber dazu kam es dann gar nicht mehr. Ich habe mir oft gedacht: „Mensch Rabbit, jetzt mach doch mal den Mund auf und knall ihnen die ganze unschöne Wahrheit direkt ins Gesicht!“ Das hätten sie alle sowas von verdient. Auch war das Ende für meinen Geschmack ein wenig zu offen, aber wer weiß? Vielleicht gibt es ja eine Fortsetzung? Ich würde es mir wirklich wünschen, da ich sie alle (sogar Kanibal Lektor, das hässlichste Kaninchen der Welt) ins Herz geschlossen habe und sie noch nicht für immer verabschieden möchte …

Und ehe ich´s vergesse: Was meine Erwartungen übertroffen hat, war der gesellschaftskritische Ton, der hier ab und zu durchschimmerte. Hater, Shitstorms, Mobbing und Co. wurden hier nebenbei angesprochen und bringen den ein oder anderen vielleicht zum Nachdenken. Auch ich fühlte mich manchmal „ertappt“, wenn es um bestimmte Themen ging (nicht dass ich jemanden mobben würde, aber bei vielen anderen Sachen) und habe mein Handeln schon kritisch überdacht. Wenn das mal keine Leistung für ein Buch ist, dann weiß ich auch nicht!

Fazit

Eine Geschichte wie eine Silvesterfontäne: Sprühend vor skurrilem Humor, liebevoller Details und Einfallsreichtum. Mit Heulern, Knistersternchen und allem, was dazu gehört! ;) Meine Mundwinkel tun mir immer noch weh vom Dauergrinsen. Damit ist es das wahrscheinlich witzigste Buch, das ich je gelesen habe. Und das soll was heißen.

Aber Achtung: Dies ist KEIN Liebesroman, sondern eine sarkasmusgetränkte Story direkt aus dem Leben (und dabei nur ein gaaaaaaaanz kleines bisschen überzeichnet). Eine Story, die uns zeigt, wie soziale Netzwerke heutzutage funktionieren und was wirklich dahinter steckt. Und, sind wir nicht alle ein bisschen Rabbit? :D

Bewertung

Caroline Brinkmann: Ein Einhorn für alle Fälle | Forever by Ullstein | 200 Seiten | 978-3-95818-168-7 | 2,99 Euro

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In Flagranti Jack

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3 Comments

  • Reply Sarah 19. März 2017 at 22:00

    Den Roman habe ich bereits öfter gesehen, bzw. wurde ebenfalls durch die Dialoge der Autorin aufmerksam :D das klingt wirklich super interessant und landet dank deiner Rezension direkt auf meine Wunschliste :3
    Super geschrieben <3

    • Reply Kristina 22. März 2017 at 21:16

      Super, das freut mich natürlich, dass meine Rezi dich überzeugen konnte. :) Und danke für die Blumen! <3

      Caroline ist wirklich super lustig und humortechnisch schweben wir wohl auf einer Wellenlänge. ^^

      Viel Spaß mit der Geschichte, sobald du sie von deiner WuLi befreist. ;)

  • Reply {Rezension} Die Perfekten von Caroline Brinkmann - Tintenmeer 5. Oktober 2017 at 7:00

    […] für alle Fälle“ zählt zu den witzigsten Büchern, die ich je gelesen habe und bekam eine begeisterte Rezension von mir spendiert. […]

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