Rezension
Das Baby liegt in der Wiege, es weint, ängstlich und verstört. sein Gesicht leuchtet hell zwischen den Gitterstäben auf. Der Mann kommt durchs Fenster – hager, schwarzer Mantel – und greift sich das Baby. Dann lässt er sich wieder über die Fensterbank nach draußen gleiten, […]. In der Wiege liegt etwas anderes. […] Das bin ich.
Leider gibts es meiner Meinung nach eine sehr große Schwäche, und die liegt unglücklicherweise in den oberflächlichen Charakteren. Die Hauptperson Mackie ist noch einigermaßen gelungen und weckt Sympathien, das könnte allerdings auch daran liegen, dass die Geschichte aus seiner Perspektive erzählt wird und man so zwangsläufig vieles von ihm erfährt. Das Verhalten der anderen Figuren ist leider nicht immer ganz nachvollziehbar und vor allem zu den „anderen Wesen“ habe ich keinen Zugang gefunden.
Eine zweite Sache hat mich außerdem während der Geschichte immer wieder gestört: Von Mackie hört bzw. liest man pausenlos, wie misstrauisch die Menschen von Gentry sind und wie sehr er sich in Acht nehmen muss, um nicht als „anderes Wesen“ aufzufallen. „Belegt“ wird dies ständig mit einer alten Geschichte von Mackies Vater. Kein einziger Bewohner Gentrys bestätigt dies aber im Verlauf der Geschichte! Im Gegenteil. Obwohl Mackie nun nicht unbedingt zu den beliebtesten Schülern gehört (da er sich jahrelang selbst ausgegrenzt hat), ist niemand ernsthaft gemein zu ihm oder behandelt ihn gar als Aussätzigen. Es gibt keine Anfeindungen – nicht mal unterschwellige – eigentlich gibt es noch nicht einmal wirklich viele Figuren. Die wenigen, die vorkommen, bleiben eher farblos. Selbst die kleine Liebesanbandelung zwischen Mackie und dem Mädchen Tate ist so merkwürdig, dass man eher mit der Stirn runzeln muss. Ein „Mitfiebern“ kommt da wirklich nicht zustande.
Das Einzige, was mich immer dazu getrieben hat, das Buch fertig zu lesen (abgesehen vom Preis), waren die kleinen doch noch einmal spannenden Lichtblicke zwischen Kapiteln, in denen beim besten Willen gar nichts passiert, und die Hoffnung, endlich etwas über die anderen Wesen zu erfahren. Anfangs hat man noch Spaß dabei, mit zu raten, denn Mackie weiß ja auch nicht, was er genau ist. Ziemlich enttäuschend fand ich dann jedoch die Antwort, die eigentlich gar keine ist.
Fazit
„Schweigt still die Nacht“ ist eine Geschichte mit großem Potential, aber leider großen Schwächen in der Umsetzung. Wer atemlose Lesestunden erwartet, wird sicherlich enttäuscht werden. Dennoch eine nette Geschichte für zwischendurch. Einen halben Extra-Stern gibts für das wirklich gelungene Cover.
Bewertung
Brenna Yovanoff: Schweigt still die Nacht | Script 5 | 368 Seiten | 978-3-8390-0127-1 | Originaltitel: The Replacement | 17,95 Euro
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