Ich lese

{Ich lese} Das Mädchen mit den gläsernen Füßen von Ali Shaw

Seltsame Dinge gehen auf St. Hauda’s Land vor: Eigentümliche geflügelte Kreaturen schwirren umher, in schneebedeckten Wäldern versteckt sich ein Tier, das mit seinem Blick alles in Weiß verwandelt, im Meer sind wundersame Feuerwerke zu beobachten und Ida Maclaird verwandelt sich langsam, von den Füßen aufwärts, zu Glas. Nun kehrt sie an den Ort zurück, wo alles begann, in der Hoffnung, hier Hilfe zu finden. Doch stattdessen findet sie die große Liebe: Mit ihrer traurigen und trotzigen Art schafft Ida es, die Knoten in Midas Herzen zu lösen. Gemeinsam versuchen sie nun, das Glas aufzuhalten.

Erster Eindruck

Ich bin jetzt genau auf Seite 100 – eine gute Zahl für einen ersten Post. Glas kann fein und zerbrechlich, aber auch hart und robust wie Diamant sein. Genau daran muss man denken, wenn man das Buch rein äußerlich betrachten. Es ist wunderschön. Ohne den Buchumschlag schneeweiß. Der Schnitt sieht aus wie eine Mischung aus Spiegel und Sternenglanz, das Lesebändchen schimmert silbern. Auch nach dem Aufschlagen des Buchs hält dieser erste Eindruck von Zerbrechlichkeit und Unnachgiebigkeit an. Eine filigrane, blassgraue Blumenwiese wächst aus dem Buchrücken auf die Seiten der Kapitelanfänge und verdrängt den Text ein Stück.

In diesem Fall passen Form und Inhalt auch noch wunderbar zusammen. Obwohl das große Geheimnis, dass sich Ida, von den Füßen angefangen, unerbittlich in Glas verwandelt, schon sehr früh entdeckt wird (darum also gar kein echtes Geheimnis ist), schwirren mir nach 100 Seiten schon tausend Fragen im Kopf herum. Jede Figur in diesem Buch scheint ein kleines Rätsel für sich zu sein, dessen Lösung sich unheimlich gut verbirgt. Schon von Anfang an breitet sich eine geheimnisvolle, erschreckende, aber auch warmherzige Atmosphäre aus. Ich fühle mich schon an Zafón erinnert: Jeder kämpft mit seinen Gespenstern, jeder hat sein Säcklein zu tragen. Aber niemand, und das ist der Unterschied zu Zafón, möchte sein Inneres sofort nach Außen kehren. Vertrauen ist ein zerbrechliches Gut. Es ist, als würde man die Geschichte durch eine Milchglasscheibe sehen. Man erkennt Formen, Schemen, Gesichter, aber man kann noch nicht genau sagen, wer da vor einem steht und welches Leben, welche Geschichte ihn (oder sie) geprägt hat.

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1 Comment

  • Reply {Rezension} Das Mädchen mit den gläsernen Füßen von Ali Shaw - Tintenmeer 31. Mai 2018 at 9:11

    […] meinem „Ich-Lese-Post“ habe ich schon ausführlich über die Gestaltung des Buchs – wunderschön gläsern – […]

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