Geblubbel

R.I.P Deutsche Grammatik

Fassungslos sitze ich vor der Flimmerkiste, glaube kaum, was ich da höre. Erste Reaktion: Ich könnte platzen! Warum? Worum geht es? Was ist passiert?

Nichts ahnend gammle ich nach einer echt anstrengenden Woche auf der Couch, zappe durch die Kanäle, bleibe bei den Kabel 1 News und einem kleinen Bericht über das Verschwinden des Genitivs hängen. Seit Jahren ist das beruflich auch ein Thema für mich, kämpfe ich gehen diesen Verlust an. Nun dachte ich: „Oh, wie toll, nun wird das endlich mal im TV angesprochen, kann ich nicht schaden!“ Pah! Von wegen! Darüber, dass sich die Moderatorin in ihrer Anmoderation über richtiges Deutsch schon verhaspelt, kann man ja noch hinwegsehen. Aber dass der Beitrag damit schließt, dass jeder doch sprechen (Anmerkung: und damit ja auch schreiben) könne, wie ihm der Schnabel gewachsen sei, ließ mich doch an meinem Gehör zweifeln. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, lassen diese „Journalisten“ diesen grenzdebilen Müll auch noch von einem Sprachwissenschaftler, einem „Experten“, bestätigen. WAS?

Ja, was soll man dazu noch sagen? In einer Gesellschaft, in der die Kinder nach Gehör schreiben „lernen“ und Grammatikregeln anscheinend das Letzte sind, was den normalsterblichen Bürger tangieren soll, braucht man sich wohl auch nicht mehr wundern, „wenn de Kevin trotz dem Verbot sein Duden unter de wackeligen Tisch sein Bein schiebt!“

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12 Comments

  • Reply Tinka Beere 23. Mai 2014 at 18:43

    Hallöchen :)
    Ganz zuerst einmal: Ich LIEBE den Genitiv!!
    Aber es ist nun mal so, dass Sprache sich verändert. Sie entsteht nicht im Duden oder sonst wo, sie entsteht und verändert sich in den Mündern der Menschen, die sie sprechen. Das war schon immer so und wird auch so bleiben. Nur haben Leute, die sich mehr mit Sprache beschäftigen den Eindruckt, dass sich die Sprache „zurück entwickelt“ und primitiver wird.
    Ich weiß selbst, wenn ich so manche Leute sprechen höre, läuft mir auch ein Schauer über den Rücken. Aber ich glaube, dass es Generationen vor uns auch nicht anders geht.
    Welche Sprachen in der Geschichte man sich auch immer anschaut, in höchtstwahrscheinlich jedem Fall wird sie einfacher, im Schlimmsten stirbt eine Sprache aus, wenn es zu wenige Menschen gibt, die sie als Muttersprache sprechen.
    Nehmen wir mein Fachgebiet, die skandinavischen Sprachen.
    Im Altisländischen/ Altnordischen gab es wie im heutigen Deutsch vier Fälle und drei Generi. Im modernen Isländischen ist dies noch immer so, die isländer sind auch sehr bedacht ihre Sprache zu erhalten. Sie haben sogar eine Gruppe von Menschen, die neue Wörter in die Sprache integriert. So heißt CD zum Beispiel „geisladískur“ wörtlich Übersetzt „Strahlenscheibe“.
    Die anderen drei skandinavischen Sprachen Norwegisch, Dänisch und Schwedisch* sind im Vergleich dazu sehr vereinfacht. Das Dänische und Schwedische hat nur ein Utrum und Neutrum, das Norwegische besitzt noch alle drei Generi, obwohl das Maskuline und Feminine auch schon dabei sind, zum Utrum zu verschmelzen. Von den Fällen sind auch nur noch der Nominativ und der Genitiv geblieben, wobei der letztere genau wie im Deutschen auch umschrieben werden kann.
    Zu der Sache mit dem „jeder kann ja sprechen, wie er will“: Das ist so. Ich glaube, das Deutsche ist die einzige Sprache, die so streng mit Grammatik und Rechtschreibung ist. Wieder das Norwegische als Beispiel. Norwegen ist ein Land voller Dialekte. Es gibt zwei Schriftsprachen, die versuchen (wie jede Schriftsprache) das gesprochene Wort möglichst genau wieder zu geben. Dabei gibt es in Norwegen für jedes Wort verschiedene Möglichkeiten es zu schreiben, weil man vermeiden will, dass Schriftsprache und gesprochene Sprache zu weit auseinander klaffen. Verständlich, umso schwerer wird es ja für Leute, die diese Sprache lernen möchten ;)

    Ich hoffe, du nimmst mir meinen Beitrag nicht böse, aber das ist meine subjektive Sicht auf die Dinge. Sprachwandel existiert und auch untereinander vermsichen sich die Sprachen. Und auch das Spracherhaltungskomitee auf Island scheiterte an dem Wort Pizza, was wenigstens halbwegs eingeisländischt werden konnte: Pítsa.
    Liebe Grüße, Tinka

    *Finnisch gehört Sprachgeschichtlich zu den finnu-ugrischen nicht zu den nordgermanischen Sprachen.

    • Reply Antje Wagner 24. Mai 2014 at 11:16

      @ tintenmeer

      Schöner Beitrag! Mich selbst hat ja jahrelang der unnötige Apostroph (zum Beispiel „Uschi’s Frisierstübchen“) gestört. Aber irgendwann gewöhnt man ja leider an alles …

      @ Tinka Beere

      Das ist ein höchst interessanter Kommentar! Danke. :)

      Ich wusste nicht, dass es im Schwedischen und Dänischen zwei Generi gibt – das heißt, die Geschlechter werden nicht mehr sprachlich unterschieden? Sehr spannend! Und es ist nicht einfach das Maskulinum wie bei unserem „generischen Maskulinum“, das ich persönlich wirklich schrecklich finde. (Bei Amazon steht bei der Beschreibung der Autor/innen immer noch „Über den Autor“, auch wenn es sich um eine Schriftstellerin handelt. Laut Amazon ist das völlig in Ordnung – ich hatte da mal nachgehakt, was das eigentlich soll. (Was Amazon da mit den Autorinnen macht, würde kein Mensch zum Beispiel bei Tennisspielerinnen sagen: „DER Tennisspieler Steffi Graf war eine Legende.“)
      Jetzt fragte ich mich, wie so ein Utrum aussieht? Kann man das im Deutschen mit irgendwas vergleichen. Höchst interessant!

      LG, Antje

      • Reply Tinka Beere 24. Mai 2014 at 12:10

        Im Übrigen heißt meine Seite auch:
        Tinka Beere – lesen schreiben Autor sein
        nicht Autorin sein, ich fühle mich keineswegs dadurch diskriminiert, wenn mich jemand als Autorin bezeichnet oder als Autor bezeichnet. Ich habe den Namen nicht gewählt um zu provozieren sondern, weil es einfach besser klingt als Tinka Beere – lesen schreiben Autorin sein… Autoren, egal ob Mann oder Frau beschäftigen doch die gleichen Dinge und dass ich als Autorin meine Tage bekommen kann und ein Autor nicht… das ist eine Sache, die nun wirklich nicht in meinen Autorenalltag einfließt xD
        Ich sehe die ganze Sache einfach locker, mich juckt es nicht, soll sich doch jeder so Bezeichnen, wie er will, künstlerische und persönliche Freiheit, fertig… Und muss man wirklich bei Berufsbezeichnungen unterschieden? Das suggeriert bei mir, dass von beiden eine unterschiedliche Arbeitsleistung erwartet wird. „Die ist eine Frau, die ist nicht so stark, kann sich nicht so gut räumliche Dinge vorstellen“ Können das Frauen immer weniger gut als Männer? Nein, ist meine Antwort. Ich bin überdurchschnittlich stark für eine Frau und kann mit Zahlen im Gegensatz zu meinem Freund besser umgehen.
        Eine Unterscheidung zwischen Individuen, erscheint mir da doch sinnvoller als zwischen Geschlechtern.
        Im Grunde genommen sind das doch alles nur menschliche Kategorien, die helfen zu verstehen, wie die Welt funktioniert, denn ohne wäre der Mensch hoffnungslos überfordert :D
        Grüßchen

        • Reply Antje Wagner 12. Juli 2014 at 14:39

          @ Tinka Beere

          Wäre das wirklich so egal, wie du sagst, müsste es auch andersrum funktionieren. Denn schließlich herrscht ja Gleichberechtigung. Dann müssten Männer sich völlig wohl damit fühlen, Autorinnen genannt zu werden. Ist aber nicht so. Ich als Frau fühle mich n i c h t wohl, als männlicher Autor bezeichnet zu werden. :)
          Frauen werden schlicht unsichtbar gemacht im generischen Maskulinum.

          Liebe Grüße, Antje

      • Reply Tinka Beere 24. Mai 2014 at 12:37

        Hallöchen…
        Irgendwie scheint meine erste Antwort verschwunden zu sein :/
        Daher hier noch einmal und ich hoffe so vollständig, wie die nicht mehr Vorhandene :)
        Ich würde fast behaupten, dass in jeder Sprache trotzdem zwischen dem natürlichen und dem grammatischen Geschlecht unterschieden wird, ob sie nun Utrum und Neutrum oder alle drei Geschlechter verwendet.
        Dazu habe ich einen Artikel gefunden über das Schwedische, dass deine Frage bezüglich des Vergleichs des nordischen Utrums mit dem Deutschen hoffentlich beantwortet: http://de.wikipedia.org/wiki/Schwedische_Sprache#Genus beziehungsweise einen Allgemeinen über das Utrum: http://de.wikipedia.org/wiki/Utrum.
        Ich denke, man kann die Utrum-Neutrum-Geschichte nicht so gut mit dem Deutschen vergleichen, allein schon wegen der Feminismusdebatte, welche ich im Übrigen nicht so sinnvoll finde, es gibt andere Dinge, die mir wichtiger erscheinen und um die man sich Gedanken machen sollte.
        Übrigens ist meiner Meinung nach Dänemark auch ein Vorreiter in Sachen Feminismus. Sie halten sich nicht mit überflüssigen sprachgeschichtlichen Debatten auf, sondern Handeln. In der Öffentlichkeit nutzen Männer und Frauen eine gemeinsame Toilette, obwohl in ihrer Sprache beide zu einem grammatischen Geschlecht verschmelzen: http://www.weltlaeufig.de/2008/09/08/feminismus-in-europa-ii-danemark/
        Grüßchen, Tinka :)

      • Reply tintenmeer 25. Mai 2014 at 14:10

        Hallo Antje,

        da spricht du auch ein Thema an, das für mich ein bisschen ein rotes Tuch ist. Zum einen gebe ich dir recht. Wenn die weibliche Form einfach unterschlagen wird, dann ist das oft unpassend. Es gibt aber auch diese Fanatiker, die in jeder einzelnen Aufzählung alle Eventualitäten abdenken wollen (und nichts anderes gelten lassen) – und das mutet dann manchmal total bescheuert an und hat nichts mehr mit Sprachgefühl zu tun. Und ganz ehrlich, auch wenn das anscheinend als allgemein gültig angesehen wird: Diese Abkürzung mit „Innen“ finde ich ganz fürchterlich.

        In deinem Fall: Ich finde es nicht schlimm, wenn bei Amazon, plakativ „Über den Autor“ steht. Das ist einfach eine allgemeine Überschrift, an der breche ich mir keinen Zacken aus der Krone, und im speziellen Fall sagt und schreibt ja jeder die korrekte Form: „Die Autorin Antje Wagner hat ein neues Buch geschrieben.“ :)

        LG
        Sandy

        • Reply Antje Wagner 12. Juli 2014 at 14:41

          Ich sehe das wirklich anders. :) Ich finde, Amazon bräche sich keine Krone aus dem zacken, wenn sie Autorinnen nicht unsichtbar machen würden, sondern einfach hinschreiben: Über den Autor / über die Autorin. Das ist nicht schwer und angemessen. :)

    • Reply tintenmeer 24. Mai 2014 at 14:17

      Hallo Tinka,

      danke für deinen Kommentar. Nein, natürlich bin ich nicht böse. Ich freue mich, dass auch mal was diskutiert wird. :)

      Ich verstehe natürlich, dass sich eine Sprache verändert und das ist auch gut. Dein Exkurs in die nordischen Sprachen war sehr interessant. Allerdings finde ich auch, dass es zu weit geht, so einen Beitrag in den öffentlichen Medien zu bringen – zumindest mit diesem Fazit. Das ist ein Schlag ins Gesicht von Tausenden von LehrerInnen, LektorInnen usw., die sich Tag für Tag damit abmühen, die schlimmsten Texte zu korrigieren und beizubringen, wie es (nun einmal) aktuell richtig ist. Was mich so dermaßen stört, ist diese Leck-mich-am-Arsch-Einstellung zu allem. Was dabei rauskommt, habe ich zur Genüge gesehen. Da ist das nur die Spitze des Eisbergs. Viele haben null Ahnung, wohin ein Komma gehört, und noch schlimmer: Substantive groß, Verben und Adjektive klein schreiben, das ist teilweise ein „Unüberwindliches hindernis“ – um es mal plakativ zu machen.

      LG
      Sandy

      • Reply Tinka Beere 24. Mai 2014 at 14:49

        Ja, gut. Das verstehe ich. Diese Regeln sind ja dazu gemacht um Texte verständlich zu halten, damit solche Dinge wie: „Komm wir essen Opa.“ und „Komm wir essen, Opa.“ nicht passieren. Manchmal kann man den Sinn durch mehrmaliges Lesen erschließen, manchmal durch den Kontext und manchmal eben auch gar nicht.
        Insofern gebe ich dir also Recht :)
        Grüßchen, Tinka

  • Reply Suey 25. Mai 2014 at 13:26

    Das ist ein interessantes Thema, was wir Germanisten bei einem Bier immer versuchen auszudiskutieren. Von der linguistischen Seite unserer Studiums her lernen wir schon in der Einführung das Grammatik deskriptiv nicht normativ ist und Sprache sich ändert. Wir reden ja schon ganz anders als die Menschen vor 50 Jahren etc. etc. Wenn du sagst für dich ist das beruflich auch ein Thema, kennst du ja wahrscheinlich die ganze Theorie dahinter. (Hab auch noch mal die anderen Kommentare überflogen, das wird ja bereits öfter erwähnt)
    Aber ich muss dir so Recht geben, wenn du den Kinder Aspekt ansprichst: Es ist doch wie mit jeder anderen Regel – man braucht eine Norma, auf die man sich geeinigt hat. Eine korrekte Art und Weise, an die man sich halten kann und mit der Kinder Sprechen und Schreiben lernen. Und dann ist der Genitiv auch noch so schön und jedes Mal wenn ich jemanden eben diesen benutzen höre, freu ich mich wie Bolle.

    • Reply tintenmeer 25. Mai 2014 at 14:02

      Hallo Suey,

      danke für deinen Kommentar! Ich kann dir ebenso nur recht geben. Es ist normal, dass Sprache sich wandelt, aber ich finde einfach, dass man sich im öffentlichen Raum bemühen sollte, sich auch an gesetzen Normen zu halten – schon allein wegen der Vorbildfunktion.
      Was mir dabei gerade einfällt (und mich immer kolossal ärgert): Ich lese ja nun doch recht oft Kinder- und Jugendbücher und immer wieder und wieder wird hier der Genitiv einfach nicht verwendet, obwohl er gesetzt werden müsste. Wie sollen Kinder und Jugendliche denn eine solche Norm lernen und einhalten, wenn sie sogar im Bereich der Literatur einfach mit Füßen getreten wird? Das ärgert mich so oft. Dieses „Ach, das ist mir jetzt zu schwierig! Da habe ich grad keine Lust drauf! Ach, das interessiert doch eh keinen!“ kommt immer wieder durch. Und irgendwann – oft jetzt schon – weiß man es eben einfach nicht besser. Das ist doch traurig.

      LG
      Sandy

  • Reply Josi 26. Mai 2014 at 20:55

    Zuerst einmal: Danke für diesen Post!! Ich freue mich über Verfechter des Genitivs. Immer. Und ich habe leider meine Annahme, dass Menschen, die über BÜCHER bloggen, die sie GELESEN haben, auch deren SPRACHE BEHERRSCHEN, schon vor einiger Zeit revidieren müssen. Also wie gesagt: Danke. Nun folgt meine recht pathetische Ausführung zum Thema:

    Ach ja, das leidige Thema des Verkommens der schönen Sprache. Es ist so schade um den Genitiv! Wirklich! Ich bin froh, einen Freundeskreis zu haben, der auf die Erhaltung des Genitivs pocht. Und für den es auch wichtig ist, richtig zu sprechen und zu schreiben. Es mag vielleicht den einen oder anderen geben, der davon genervt ist, aber mich stört das in keinster Weise!
    Umso erschreckender sind dann natürlich genau solche von Qualitätsjournalismus zeugenden Beispiele. Allein für sowas sollte man die so genannten „Nachrichten“ dieser Sender meiden.

    Was mich furchtbar nervt sind die vermeintlich aus dem Englischen abgeleiteten Werbesprüche, Aushänge, etc., die deklarieren, dass es jetzt „Handy’s im Sonderangebot“ gibt. Denn noch schlimmer als das für den deutschen Genitiv übernommene Genitiv-s aus dem Englischen (wie in „Schantalle’s Frisörsalong“) finde ich ja das überall mit Apostroph angehängte Mehrzahl-s. In meinem Kopf gehe ich jedes Mal verschiedenste Foltermethoden durch, die meine eigene Qual auch nur ansatzweise rächen könnten. Die Qual des offensichtlichen Intelligenzverlusts der deutschen Sprache. Wenn es dann in meinem Kopf schreit „IN KEINER SPRACHE DER WELT WIRD EINE MEHRZAHL MIT EINEM APOSTROPH+S GEBILDET!!!!“ verlangt mein Körper eigentlich danach, genau dies der verantwortlichen Person entgegenzuschreien!

    Natürlich darf sich Sprache weiterentwickeln. Und ja, selbstverständlich geht das oftmals auch mit einer Vereinfachung einher. Aber muss es sich denn durchsetzen, dass Sprache zurückkehrt zu den primitiven Wurzeln? Einige Fernsehformate lassen jedenfalls erahnen, dass ein „back to language’s roots“ eine tatsächliche Rückkehr zu Grunzlauten und anderen unartikulierten Geräuschen ist..

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