Verborgene Schätze

{Verborgene Schätze} April 2015

In dieser Rubrik stellen wir, Kristina und Sandy, die Bücher vor, die wir für wahre Schätze halten und die unserer Meinung nach viel mehr Aufmerksamkeit verdienen. Wir geben ihnen hier im Tintenmeer noch einmal 15 Minuten Ruhm und hoffen, damit noch viele weitere begeisterte Leserinnen und Leser anzustecken.

Sandys verborgener Schatz
Undine von Benjamin Lacombe

Der Stoff der Undine-Legende ist schon Jahrhunderte alt und er inspirierte mehr als einen Künstler dazu, sich mit ihm auseinanderzusetzen und sein eigenes Werk zu schaffen. E.T.A. Hoffmann, Alexander Sergejewitsch Puschkin, Goethe, Hans Christian Andersen, Ingeborg Bachmann, sogar Nina Blazon. Lacombe greift für seine Undine auf die Erzählung von Friedrich de la Motte Fouqué zurück.

Undine, ein Wassergeist, verliebt sich in den Ritter Hans von Ringstetten. Der Legende nach bekommt der Wassergeist eine Seele, heiratet er einen Menschen. Aber auch Gefahr droht, wenn der Mensch nicht treu ist, denn diese Geschöpfe kennen weder Gewissen noch Reue. Auch die Herzogstochter Ursula hat es auf Hans abgesehen und so entsteht eine dramatische Dreiecksgeschichte, die Lacombe wieder einmal großartig in seinen Bildern verewigt.

Seit Langem bin ich diesem Illustrator schon verfallen und kann mich nicht sattsehen an seinen Bildern. Schlägt man eines seiner Bücher auf, findet man sich unversehens wieder in einer märchenhaften, zauberhaften Welt aus so zarten und symbolträchtigen Bildern. Und wieder ist es eine leidenschaftliche und dramatische Geschichte, die er illustriert. Es ist wohl nicht zu viel verraten, dass die Geschichten um die Wassergeister, Nixen und Elementargeister, die einen Menschen lieben, nur tragisch enden können – abgesehen von der Disney-Version versteht sich.

Die Geschichte um die zarte gutherzige, aber auch naive Undine ist so traurig, aber die Bilder von Lacombe lassen einen wieder die Gänsehaut spüren, so viel Schwermut, Liebe und auch Hoffnung legt er in jedes einzelne davon. Zwar sind sie sehr düster, eher in waldgrün, dunkelblau, braun, schwarz gehalten, aber das unterstreicht die Mischung aus Geborgenheit, in der sich Undine mit Hans befindet, und  Gefahr, die durch Ursula droht. Undine gefällt mir persönlich wahnsinnig gut. Was für eine ätherische Gestalt mit ihrem übermenschlich langen schwebenden roten Haar. An solchen Figuren komme ich nicht vorbei. Ich bin immer wieder begeistert von Lacombes tollen ausdrucksstarken und symbolträchtigen Bilder und kann seine Bücher nur jedem ans Herz legen, der so etwas mag. Seine Bücher sind echt Schätze, die im Regal eines Buchliebhabers wirklich nicht fehlen dürfen.

Hier geht es zum Homepage des Illustrators


Kristinas verborgener Schatz
Survivors: Jeder ist sich selbst der Nächste von Bianca Peiler

„Schütz dein Gesicht, Katja!“
Splitter regnen von überall her auf mich herab. Mein Vater zerrt an mir, ich soll schneller rennen. Ich kann aber nicht. Ich bin vier Jahre alt! Wie soll ich mit einem Erwachsenen Schritt halten! Schließlich hebt er mich hoch und klemmt mich einfach unter den Arm. Er rennt, als ginge die Welt unter. Vielleicht ist das auch so.

– Bianca Peiler: Survivors, Katarina, S. 3

Heute stelle ich euch eine Kurzgeschichtensammlung einer Indie-Autorin vor, die völlig zu Unrecht noch so unbekannt ist. Ich hatte das Buch schon länger im Blick, konnte es dann bei einer Auktion für einen guten Zweck ergattern und habe es dann förmlich inhaliert.

„Survivors“ ist eine Sammlung von fünf Kurzgeschichten, jede aus Sicht eines anderen Charakters, die alle in derselben postapokalyptischen Welt leben. Dabei gibt es vereinzelt Überschneidungen, was den Wiedererkennungswert steigert und wirklich Spaß beim Entdecken macht. So lernt man die Katastrophe und die Art, wie die unterschiedlichen Menschen mit ihr umgehen, aus mehreren Blickwinkeln kennen. Ein interessantes Konzept, das perfekt aufgegangen ist.

Die Geschichten waren allesamt unvorhersehbar und das hat mir besonders gefallen. Ohne Klischees oder Kitsch, direkt, ungeschönt, hart und brutal wurden die Lebensumstände beschrieben und die Charaktere dargestellt. Ich habe sie verstanden, mit ihnen gefühlt und von manchen war ich auch irritiert und abgestoßen, aber sie waren alle LEBENDIG. So lebendig, als würden sie nebenan wohnen.

 Besonders mitgenommen haben mich zwei Geschichten:

„Laurelie – Jeder kriegt, was er verdient“. Sie hat sich tief in meine Seele gebrannt und mich am Ende mit Tränen in den Augen zurück gelassen … Wirklich heftig. Und was für ein Ende! Ich habe noch nie etwas Ähnliches gelesen.

„Jimmy – Jeder ist seines Glückes Schmied“. Tolle Charakterentwicklung und beim Showdown musste ich den Atem anhalten und die Geschichte in einem Rutsch lesen, so sehr habe ich mitgefiebert! Ein weiteres Highlight.

Letztlich haben mich alle Geschichten beeindruckt, mir kalte Schauer über den Rücken gejagt und mir immer wieder einen Kloß im Hals beschert: wunderschön, düster, tragisch, ergreifend. Die Autorin hat nichts weichspült und die wahre Natur des Menschen gezeigt – in all ihren Facetten, ob brutal oder mitfühlend. Ich bin komplett in den Geschichten versunken und habe mir meine eigenen spannenden Filme im Kopf vorgestellt. Und ich bin, wie ihr inzwischen wisst, ein riesengroßer Fan von überraschenden Wendungen und die waren hier auch en masse vertreten. Nichts war, wie es scheint, und man musste auch mal hinter die Fassade schauen. Die Charaktere entwickeln sich weiter, wachsen über sich hinaus oder offenbaren ihre wahren, düsteren Seiten. Das hat mich das ein oder andere Mal wirklich überrascht.

Und besonders zu erwähnen ist der tiefgründige, ausgereifte und professionelle Schreibstil. Ohne Schnörkel und Schachtelsätze geht er direkt in den Kopf und ins Herz. Ich weiß nicht, was es ist, was Autoren haben müssen, aber Bianca Peiler hat es!

Mein Fazit: Eine geniale Kurzgeschichtensammlung, die unerwartet düster und schonungslos daherkommt. Ich hatte nicht erwartet, derart umgehauen zu werden, habe mitgefiebert und am Ende Tränchen verdrückt. Ein absoluter Geheimtipp, den sich alle Liebhaber von postapokalyptischen Szenarien unbedingt zulegen sollten.

„Wir fühlten uns unantastbar, als wir während der Angriffe auf die USA in den Bunker hinabstiegen. Glaubten, es wäre nur für wenige Monate, vielleicht ein Jahr. Schließlich waren die USA die Supermacht schlechthin – sie musste den Krieg gegen die Vereinten Russischen und Chinesischen Nationen gewinnen. Unsere Vorräte würden reichen; vielleicht würden wir die Tiere sogar behalten, wenn der Krieg vorbei und alles wieder gut wäre.
Per Funk hielten wir Kontakt zu Hunderten anderer Überlebender, die sich ebenfalls verschanzt hatten.
Der Krieg ging vorüber; nach nur zwei Jahren war alles vorbei. Gewinner gab es nicht. Nur Verlierer.“

– Bianca Peiler: Survivors, Jimmy, S. 111

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1 Comment

  • Reply {Rezension} Fire Hazard 1 - Flammenkind von Bianca Peiler - Tintenmeer 20. Februar 2017 at 21:13

    […] die Bücher von Bianca Peiler. „Survivors – Jeder ist sich selbst der Nächste“ war mein Verborgener Schatz. Es hat mich schwer beeindruckt und emotional berührt, ebenso wie ihre wundervolle […]

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