Wir befinden uns in Neu-Peking. Die Welt hat sich um ein paar Hundert Jahre weitergedreht und ist eine ganz andere als die, die wir kennen. Die technische Entwicklung ist nicht stehengeblieben. Die Menschen leben zusammen mit Androiden, die ihnen dienen. Cyborgs sind keine Seltenheit – aber als Ausgestoßene geächtet. Cinder ist eine von ihnen. Mehr als 30 Prozent ihres Körpers mussten nach einer schweren Verletzung repariert werden und bestehen jetzt aus Drähten und Metall. Als wäre das nicht schlimm genug, ist sie eine Waise, die ihre Herkunft nicht kennt und bei ihrer ungeliebten Stiefmutter und ihren Stiefschwestern leben muss. Zumindest zum Arbeiten und Geldverdienen ist sie ihrer Familie gut genug. Cinder gilt als beste Mechanikerin in der Stadt und betreibt auf dem Markt einen Stand. Als Kronprinz Kaito an eben diesem auftaucht und sie bittet, seinen defekten Androiden zu reparieren, ahnt sie nicht, dass ihr Leben bald aus den Fugen gerät. Denn damit landet sie mittendrin in intergalaktischen Machtkämpfen.
Rezension
Ich bin total begeistert von dieser Geschichte! Hin und weg! Kein Wunder, dass sie in weniger als 24 Stunden ausgelesen war. Ich konnte das Buch nämlich kaum aus der Hand legen. Und das schon von den ersten Seiten an. Eigentlich wollte ich nur mal kurz reinlesen. Nach wenigen Sätzen hatte es die Autorin aber schon geschafft, mich so sehr in Cinders Welt zu ziehen, dass ich ihr für die nächsten 100 Seiten nicht mehr entkam – und dann auch nur widerwillig. Völlig zu Unrecht dümpelte dieses tolle Buch so lange auf meiner Wunschliste herum!
Als ich zum ersten Mal von „Wie Monde so silbern“ (engl. Cinder) hörte, wurde sowohl auf den deutschen als auch den englischen Klappentext verwiesen. Glücklicherweise, muss ich sagen, denn hätte ich nur den deutschen bekommen, ich hätte das Buch garantiert nicht angefasst. Wieso man bei dieser Geschichte ausgerechnet diesen Klappentext auf das Buch druckt, würde ich gern mal vom Carlsen Verlag hören. Denn dieses „Machwerk“ verschweigt wirklich alles, was das Buch lesenswert macht, zugunsten von absolut nichtssagenden und völlig unwichtigen Informationen, die zudem noch in eine komplett falsche Erwartung führen. Epic fail, würde ich das nennen. Gleiches gilt meiner Meinung nach übrigens auch für Titel und Cover, die auch ein absoluter Fehlgriff sind.
Denn zwar bekommt man – wie versprochen – eine Märchenadaption von Cinderella, darüber geht die Geschichte von Cinder aber so weit hinaus, parodiert sie sogar, wie es nur möglich ist.
Cinder mochte ich vom ersten Moment richtig gern. Sie ist sympathisch, humorvoll und sarkastisch – ein Zug, den sie mit einigen anderen Figuren teilt. Sie ist besonders begabt im Umgang und der Reparatur von Maschinen. Von Anfang an ist klar, dass sie kein richtiger Mensch ist, sondern zu einem großen Teil aus Technik besteht. Nicht nur Hand und Fuß wurden durch Prothesen ersetzt, auch Teile ihres Kopfes, sodass sie Daten ihrer Umwelt und ihres Körpers vor ihren Augen abrufen kann. Zunächst hatte ich etwas Angst, dass sie zu wenig Mensch und zu viel Technik ist, um mir ans Herz zu wachsen. Aber das war total unbegründet. Denn die Autorin hat genau dieses Problem immer wieder zum Thema gemacht, sodass ich gar nicht anders konnte, als mich mental immer wieder auf Cinders Seite zu stellen. Die Menschen in Cinders Welt nehmen Cyborgs wie sie nicht mehr als Lebewesen mit Gefühlen wahr, sie werden zu Ausgestoßenen, die nicht mehr die gleichen Rechte haben wie die „vollständigen Menschen“. In Cinders Fall kommt erschwerend hinzu, dass ihr gesetzlicher Vormund, Stiefmutter Adri, ihr mit Hass und Verachtung begegnet. Zum Arbeiten ist sie aber gut genug.
„Ich habe meine Unterhaltung mit dem Prinzen schon geübt“, sagte Pearl. „Ich will ihm nämlich alles sagen.“ Sie tänzelte hin und her, und ihr Rock schimmerte im Licht. „Erst werde ich ihm alles über deine hässlichen Metallgliedmaßen erzählen und wie peinlich du bist – was für eine ekelerregende Kreatur sie aus dir gemacht haben. Und dann sorge ich dafür, dass er bemerkt, wie viel begehrenswerter ich bin.“
Marissa Meyer: Wie Monde so silbern, S.301
Mit Prinz Kaito gibt es im Buch auch einen ganz charmanten Protagonisten. Er gibt gern den lockeren, lebensfrohen Jungen, aber auf seinen Schultern lastet schon früh große Verantwortung. Auch ihn mochte ich auf Anhieb, weil er bei aller Lockerheit nie wankelmütig ist und seine Aufgaben nicht aus dem Blick verliert. Die politische Lage in der Geschichte ist heikel. Zwei große Probleme stehen bei Kai ständig auf der Tagesordnung: Innenpolitisch ist es die Pandemie Letumose, die Blaue Pest, die die Bevölkerung in großer Zahl dahinrafft. Außenpolitisch hat er eine drohende intergalaktische Kriegserklärung der Lunarier, die den Mond bevölkern, vor der Brust. Es braucht schon einen starken Charakter, um diese beiden großen Themen glaubwürdig in die Geschichte bringen zu können. Und das gelingt der Autorin mit Kai meiner Meinung nach richtig gut.
Zwar liegt der Point of View die meiste Zeit bei Cinder, dennoch hatte ich nicht das Gefühl, das dieser Blickwinkel zu einseitig ist. Das lag daran, dass Cinder sehr schnell und sehr tief in diese beiden Thematiken gezogen wird. Dennoch wirkte die Handlung nicht unglaubwürdig oder konstruiert, sondern war gut durchdacht und auch umgesetzt. Die Handlung entwickelt sich sehr rasant, bleibt aber die ganze Zeit auf einem recht hohen Spannungsniveau. Und an Humor fehlt es selbst den Androiden nicht. Das zeigt sich besonders an Haushaltsandroidin Iko.
Der blaue Sensor wurde hell und leuchtete in Nainsis Inneres.
Cinder verzog das Gesicht. „Glaubst du, sie hat einen Virus?“
„Vielleicht war Prinz Kais Sex-Appeal zu viel für ihre Programmierung.“
„Jetzt lass den Prinzen mal aus dem Spiel, okay?“
„Das wird schwer. Immerhin arbeitest du an seiner Androidin. Stell dir mal all die Dinge vor, die sie weiß, all das, was sie gesehen hat und …“ Ikos Stimme stockte. „Glaubst du, sie hat ihn schon mal nackt gesehen?“
Marissa Meyer: Wie Monde so silber, S.192
Das „Informationsmanagement“ der Geschichte stimmt meiner Meinung nach auch. Wozu viele Autoren gerade im ersten Band neigen, nämlich viel zu viel über die Welt und deren Umstände erklären zu müssen, hat Marissa Meyer sehr gut gelöst. Ich habe mich nie überinformiert und „totgequatscht“ gefühlt. Handlung und Information hielten sich gut die Waage. Lediglich eine Sache hatte ich zu bemängeln. Schon sehr früh wird im Buch eine Hintergrundinfo zu den Lunariern gegeben, bei der vermutlich jeder sofort weiß, worauf die Geschichte hinauslaufen wird. Das fand ich etwas schade, sicher hätte man das auch noch etwas anders vermitteln können.
Fazit
Für „Wie Monde so silbern“ von Marissa Meyer kann ich nur eine Leseempfehlung geben. Lasst euch nicht täuschen von Titel, Cover und Klappentext – werft einfach einen Blick auf das englische Original für einen viel besseren Eindruck. Denn wer Lust auf eine ausgefallene Geschichte fernab von Romantasy-Mainstream hat – und Cyborgs sind ja auch bei uns nicht alltäglich –, für den ist diese hier genau das Richtige.
Bewertung
Marissa Meyer: Wie Monde so silbern | 382 Seiten | Carlsen Verlag | 978-3-55158286-7 | 18,90 Euro
Zusatzinfo
Humans and androids crowd the raucous streets of New Beijing. A deadly plague ravages the population. From space, a ruthless lunar people watch, waiting to make their move. No one knows that Earth’s fate hinges on one girl. . . .
Cinder, a gifted mechanic, is a cyborg. She’s a second-class citizen with a mysterious past, reviled by her stepmother and blamed for her stepsister’s illness. But when her life becomes intertwined with the handsome Prince Kai’s, she suddenly finds herself at the center of an intergalactic struggle, and a forbidden attraction. Caught between duty and freedom, loyalty and betrayal, she must uncover secrets about her past in order to protect her world’s future.
3 Comments
Das ist ein echt schöner Blog mit zwei echt tollen schreiberinnen;)
Würde mich über ein paar benachrichtigungen freuen!
Guten Morgen :)
Ja, die Deutschen Cover/Titel sind ein ziemlicher Schuss in den Ofen, vor allem weil die Englischen alle sehr zutreffend und aussagekräftig sind.
Ich hab die Reihe auf englisch gelesen und ich war genauso gefesselt und hätte am liebsten alle auf einmal gelesen. Auch die nächsten Teile kann ich nur empfehlen ;)
Liebe Grüße,
Smarty :)
Liebe Smarty,
Danke für deinen Kommentar. Stimmt, auch die anderen Teile sind ganz toll. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich den letzten hier liegen und noch nicht gelesen habe. Ich bin gerade irgendwie raus aus der Reihe – aber ich will den Schinken (der ist ja richtig fett) noch in Angriff nehmen.
LG Sandy