Zusammen mit ihrem Vater betreibt die achtzehnjährige Jenny ein Gasthaus in Alaska. Da gehört es natürlich dazu, dass sie sich auch um die Gäste kümmert und die Fremdenführerin gibt. Außerdem liebt sie ihre Huskys, mit denen sie trainiert, um am legendären Iditarod-Hundeschlittenrennen teilzunehmen. Als der gleichaltrige Mike mit seiner Familie bei Jenny und ihrem Vater Urlaub macht, sind romantische Verwicklungen vorprogrammiert. Doch während sich Jenny und Mike in der schönen Winterlandschaft näherkommen, droht auch Gefahr, denn militante Umweltschützer schrecken auch vor Bombenanschlägen nicht zurück, um Großkonzerne daran zu hindern, Alaska auszuschlachten.
Rezension
„Küss mich unterm Nordlicht“ von Joanna Wolfe sollte für mich ein kleines Kontrastprogramm zum 30-Grad-Sommerwetter sein, denn es ist eine Liebesgeschichte, die im Winter in Alaska spielt. Das mit der Abkühlung hat in diesem Fall echt gut geklappt. Die Autorin schafft es, eine tolle Winterstimmung zu erzeugen. Sie beschreibt wunderbar die zauberhaft winterlichen Weiten der Landschaft. Dabei ist sie aber nicht zu ausufernd, was mir gut gefallen hat.
Leider ist damit das Lob, das ich für die Geschichte übrig habe, aber schon wieder vorbei. Denn die Abkühlung wurde sozusagen zum Eimer mit Eiswasser. Ich erstarrt quasi in Entsetzen und Langeweile – und fand auch die Figuren von Minute zu Minute unsympathischer.
Jenny, die Protagonistin, hat mich schon zu Beginn hin- und hergerissen. Sie ist so ein herzensguter Mensch, der alles und jeden toll findet. So eine richtige Disney-Prinzessin, bei der man Angst hat, dass ihr gleich die Tiere des Waldes zulaufen, mit denen sie ein Liedchen singen kann. *hust* Selbst wenn ihr etwas stinkt – und sie das sogar mal ausspricht -, verfällt sie gleich wieder in diese verständnisvolle Art zu denken. Eine Eigenschaft, die irgendwann einfach nur nervt. Zusammen mit ihrem Vater betreibt sie eine Lodge, die immer gut Besucher hat. Da die Mutter vor einigen Jahren gestorben ist und sie sich nicht traut, ihren noch immer trauernden Vater allein zu lassen, hat sie ihr Leben auf Eis gelegt. Sie geht noch nicht zum College, sondern trainiert neben ihrer Arbeit mit den Lodge-Gästen für das Iditarod-Hundschlitten-Rennen.
Zumindest Letzteres fand ich sehr spannend – leider kam das Theme irgendwann in der Geschichte gar nicht mehr vor. Jennys Beziehung zu ihren Huskys fand ich eigentlich sehr schön. Weniger toll waren aber die nervigen Monologe, die Jenny bei der Hundefütterung führte und in denen sie die aktuelle Handlung und ihre Gedanken dazu noch mal zusammenfassen musste. Was das sollte, ist mir immer noch schleierhaft. Sie erzählt ja nichts, was man als Leser nicht längst wüsste. Es sollte wohl eine Art tieferen Einblick in die Figur gewähren. Hier hätte man ganz viel Überflüssiges streichen können, nein müssen.
Dass der Vater noch trauert, wurde anfangs sehr schön dargestellt, doch auch hier hielt das Versprechen auf einen Tiefgang in der Geschichte nicht lang. Nur ein paar Seiten später taucht eine potenzielle neue Freundin auf und mit der Trauer ist es vorbei. Noch nerviger fand ich aber die Beziehung zwischen Jenny und ihrem Vater. Getreu dem Motto „Wir sind ja so gute Freunde“ versucht sie ständig, ihn zu verkuppeln und später die ganze Zeit nach seiner neuen Freundin auszuquetschen. Sorry, aber das war einfach nur seltsam. So eine innige Vater-Tochter-Beziehung konnte ich da nicht erkennen.
Mike, der männliche Protagonist, ist ein kalifornischer Sunnyboy, den seine Eltern statt nach Hawaii nach Alaska verschleppt haben – und genauso benimmt er sich anfangs: wie ein verzogener Bengel, der seinen Willen nicht bekommt. Aber in Wahrheit ist er gar kein solches Hohlbrot – nein! -, sondern Rettungsschwimmen! So wie bei Baywatch, was er nicht müde wird, zu betonen. Er ist also gar nicht oberflächlich, sondern obercool. Achso. Es war ätzend. Aber längst nicht so ätzend wie das Wesen, zu dem er sich nach ein paar Seiten entwickelt. Vom arroganten Typen wurde er in Windeseile zu einen zartbesaiteten Jungen, der heult, weil Papi nicht anerkennen möchte, dass er in Wahrheit Schriftsteller werden möchte. WTF? Also da fiel mir ja wirklich nicht mehr viel ein.
Die „Lovestory“ in diesem Buch war ein Witz. Lachen konnte ich allerdings nicht, mir war eher zum Heulen zumute, als Mike völlig unvermutet aus heiterem Himmel verkündete, dass er Jenny liebe. Dieses Buch hatte so viele Hä?-Momente, es ist echt unglaublich. Zu Beginn haben sich Jenny und Mike nicht mit dem Hintern angeguckt, nachdem er dann ein paarmal selbstverschuldet im Tiefschnee gelandet ist, ist ihm wohl das Hirn gefroren und er gesteht ihr seine Liebe. Allerdings hat auch diese Szene wirklich gar nichts Romantisches an sich, sondern besteht nur aus Mikes verwirrenden Gestammel, dass er unter Tränen loswird, weil er sich vor dem Wolfsgeheul so fürchtet. Echt? Liebe Jenny, wer beißt den bei so was an? Nee, nee, das ging gar nicht. Und was folgt dann? Nein, keine heiße Liebe im Schnee, sondern nur errötende Gesichter und heimliche Blicke, wenn der andere grad nicht guckt. Wenn ichs nicht besser gewusst hätte, hätte ich geglaubt, die beiden wären 12, so vorpubertär haben die sich verhalten.
Ummantelt wird diese nicht vorhandene Liebesgeschichte durch einen spannenden Fall von „Umweltschutzterrorismus“, den die Autorin in atemloser Spannung geschildert hat. Ironie beiseite. Spannend war da leider gar nichts. Denn auch dieser Part konnte sich leider nicht gut einfügen. Plötzlich fliegen Tankstellen und Lagerhallen in die Luft, tauchen dubiose Typen auf Schneemobilen auf und man erfährt, dass die Ölkonzerne in der Kritik stehen, die Umwelt in Alaska aus Profilgier zerstören zu wollen. Und die Politik macht mit, um von den benötigten Ölreserven im Nahen Osten loszukommen. Herrje, es war ein bisschen wir bei TKKG, nur dass der Bösewicht hier keine krumme Nase, sondern eine untersetzte Figur hatte.
Ich möchte nicht über die Autorin wettern, aber in dieser Geschichte zeigt sich einfach, dass sie offenbar gar keine Ahnung davon hat, wie man glaubwürdige ambivalente Figuren erschafft – und sie in eine sinnvolle Beziehung zueinander setzt.
Fazit
„Küss mich unterm Nordlicht“ war für mich der Flop des Monats. Ich kann dieses Buch wirklich nicht weiterempfehlen. Die Story-Teile fügen sich überhaupt nicht ineinander. Der Krimi-Teil war nicht spannend und der Lovestory-Teil nicht romantisch. Die Figuren sind schlecht und unglaubwürdig konstruiert und agieren meist seltsam. Das Buchpärchen passt gar nicht zusammen. Es gibt kein Feeling zwischen den beiden. Das Einzige, was die Geschichte lesenswert gemacht hat, waren die Naturbeschreibungen Alaskas.
Bewertung
Wolfe, Joanna: Küss mich unterm Nordlicht | 336 Seiten | cbt Verlag | Taschenbuch | ISBN: 978-3-570-31004-5 | 9,99 Euro
10 Comments
Hallo Sandy,
oh je „Küss mich unterm Nordlicht“ hat mir auch nicht gefallen und du hast es sehr passend dargestellt, weshalb ich dieses Buch abgebrochen habe. Ich mochte auch dieses Umweltschutz Thema nicht, wie es hier aufgegriffen wurde.
Liebe Grüße Cindy
Hallo Cindy,
danke für den Kommentar. Gut zu wissen, dass es anderen auch so ging. ;)
LG Sandy
Liebe Sandy,
manche Bücher sind einfach eine Enttäuschung. Aber ich finde, du hast es sehr gut erklärt, so dass man deine Meinung zum Buch absolut nachvollziehen kann.
Liebe Grüße,
Anna
Hallo Anna,
danke sehr! Es freut mich, dass ich das gut rüberbringen konnte. Ich finde es wichtig, nicht nur zu schreiben, ob das Buch gut oder schlecht war, oder ob es einem gefallen hat oder nicht. Nur wenn man das begründet, kann man anderen LeserInnen bei der Entscheidung helfen, ob sie das Buch lesen wollen oder nicht.
LG Sandy
[…] habe ich mir kein Gefallen getan. Was mich alles störte und warum, habe ich euch ja schon in meiner Rezension zum Buch […]
Hey Sandy :)
mir ging es da ziemlich ähnlich wie dir. Ich denke, die Grundzüge des Romans haben durchaus Potenzial, aber eben nur die Grundzüge. :D
Liebe Grüße,
Tatze
Hallo Tatze,
ja, leider ist das eines von den Büchern, aus denen etwas Tolles hätte werden können … es sollte wohl nicht sein.
LG Sandy
Huhu!
Ich vermute mal ganz stark, dass ich beim Lesen dieses Verrisses mehr Spaß hatte, als ich ihn beim Lesen des Buches gehabt hätte! ;-)
LG,
Mikka
Hallo Mikka,
na das ist doch was! Dann hat es ja auch ein Gutes, dass ich mich da durchgequält habe. :D
LG Sandy
[…] Auch das Verhalten der Figuren war teilweise einfach nur unlogisch. Mehr dazu habe ich schon in der Rezension […]