Das Offensichtliche zuerst: Der Titel dieses Buches ist einfach nur groß-art-ig! Ich liebe ihn und küre ihn im Kopf zu einem der schönsten Buchtitel aller Zeiten! Und dieses Cover! Phänomenal! Ich kann gar nicht aufhören, es anzuschauen. Die Farben, die Schrift, die Planeten, die Sterne, die Weite des Weltalls und die Kleinheit des Menschen … Sorry! Kleiner Fangirl-Moment. Aber wenn es in Richtung der unendlichen Weiten geht, werde ich irgendwie noch ein klitzekleines bisschen nerdiger als sonst. Und dieses Buch lässt schon optisch mein Nerd-Herz schneller schlagen.
Alles, was dir bleibt, Rosemary – und das gilt für uns alle –, ist das Streben, stattdessen etwas Positives zu sein. Das ist eine Entscheidung, die jedes vernunftbegabte Wesen an jedem einzelnen Tag seines Leben treffen muss. Das Universum ist das, was wir daraus machen. Die Entscheidung, welche Rolle du darin spielen willst, liegt bei dir. (Pos. 3685)
Aber kommen wir zum Inhalt. Auf dem versprochenen langen Weg durch das Universum begleiten wir die Crew des Tunnlerschiffs Wayfarer, zu der neben einer Handvoll Menschen einige sehr verschiedne Aliens gehören. Job unserer freundlichen „Wanderer“ ist es, Wurmlöcher zu bohren, damit Reisende schneller von A nach B durch die Galaxien kommen. Ihr neuer profitabler, aber auch riskanter Auftrag ist es, ein Wurmloch zu einen Planeten mit einem ziemlich kriegerischen Völkchen zu bohren. Und der Weg dorthin ist natürlich auch nicht ohne.
Klingt mega-spannend? Nach Weltraumschlachten, Sci-Fi-Laser-Action in Lichtgeschwindigkeit und dem ultimativen Fight zwischen Gut und Böse? Nun, ausgerechnet das ist diese Geschichte schon mal nicht. Wer darauf hofft, kann es gleich lassen. Finger weg! Das Buch ist nix für euch!!
Der Weg zu dem kleinen Planeten ist lang, sehr lang. Er bietet viele Gelegenheiten, etwas über dieses wunderbare Universum sowie die verschiedenen Spezies und ihre Beziehungen untereinander zu lernen. Kurzum das Buch ist etwas für echte Infodump-Lover! Komischerweise hat mich das kaum gestört.
Es war wie Eintauchen in ein ruhiges Gewässer, in dem man dann ganz entspannt dahintreibt und sich die Welt anschaut.
Ich will ehrlich sein: Ein bisschen dramatischer hätte das Ganze für meinen Geschmack gerne ausfallen können, doch das war zu verschmerzen. Denn zum Glück hat die Geschichte hin und wieder eine kleine Welle geschlagen – ich sag nur Weltraumbanditen, KI-Liebe, Lost in Space und so ne Art von Aliensex. Aber das wollen wir hier nicht vertiefen …
Das Weltenbauen, die technische Seite und die Weltraumlogik hat Becky Chambers sowas von drauf! Da kenne ich manches Negativbeispiel *hust: Godspeed!!!*. Chambers hat mich sogar so sehr überzeugt, dass ich mich ernsthaft zwischendurch gefragt habe, ob sie vielleicht etwas studiert hat, das mit dem Wörtchen „Astro-“ beginnt – oder bei der NASA arbeitet. Die Auflösung kam am Ende und erklärt einiges (ich lese die Autorenbiografien ja immer erst hinterher):
Sie ist die Tochter einer Astrobiologin und eines Luft- und Raumfahrttechnikers!
Aber keine Sorge, das hier ist kein Physik- oder Techniklehrbuch. Vielmehr ist die Geschichte überraschend voll von tiefen Gedanken über soziale Konventionen und über die verschiedenen Arten von Freundschaft und Liebe.
Besonders das Wesen der Mutterschaft wird von der Autorin an einigen Stellen beleuchtet. Das Thema hat es ihr offenbar angetan. Die unterschiedlichen Alienkulturen boten den Raum dazu, die verschiedensten Meinungen zu diesen Themen durchzuspielen.
Spannend war in dem Zusammenhang natürlich auch der tief verwurzelte Hang der Menschen, all die Unterschiedlichkeiten zwischen den Kulturen und Konventionen bewerten zu wollen – und natürlich die Einsicht, dass das a) nicht geht und b) nichts bringt.
Getragen wird die Geschichte außerdem von den absolut liebenswerten Figuren und ihren ganz großartig ausgearbeiteten Persönlichkeiten und Beziehungen untereinander. Da hätten wir:
- Crewneuling Rosemary, die sehr viel taffer ist, als man am Anfang denkt
- Pilotin Sissix, reptilienartige Spezies mit einem großen Hang zur Kuscheligkeit (soooo goldig!), streitet aber auch echt gern
- Captain Ashby, Mensch mit ein paar Komplexen und er braucht dringend Hilfe beim Papierkram!
- Jenks und Kizzy, beides Techniker, beide strange, mit einem Herz aus Gold und sooo großartig
- Algenfuzzy Corbin, ein richtiger Arsch, aber ein cooler, und ein Nerd!
- KI Lovey, ist intelligent UND emotional, Tipp: Taschentücher bereit halten!
- Navigator Ohan, hab ich mir immer klein und flauschig vorgestellt, wie ein superschlaues Murmeltier
- Dr. Koch, wie der Name schon sagt: Arzt und Koch des Schiffs, gehört zu einer aussterbenden, ihr Geschlecht im Laufe des Lebens ändernden Spezies (er war mal Mama <3)
- und noch eine Handvoll Nebencharaktere
Darüber hinaus gibt es noch eine ganze Reihe verschiedener Alien-Existenzen, die dieses Universum bevölkern. Erfrischend – und auch ziemlich logisch – fand ich, dass die Menschen in diesem Weltentwurf einmal nicht die übergeordnete Instanz sind. Sie sind sogar ziemlich machtlos, werden eher geduldet. Ihre mangelnde Fähigkeit, wenigstens in der Not zu einem gemeinsamen Nenner zu finden, macht die Menschen schwach, während die anderen Bewohner dieser Welt trotz ihrer extremen Unterschiede ein überwiegend friedliches Miteinander hinbekommen.
Ihr Menschen habt eure alte Gewohnheit, euch gegenseitig umzubringen, vermutlich nur abgelegt, weil euer Planet starb, bevor ihr die Sache zu Ende bringen konntet. (Pos. 3563)
Das bedeutet aber natürlich nicht, dass alles Friede, Freude, Eierkuchen ist. Oh nein! Diese Welt ist ganz sicher nicht perfekt. Das verliert die Autorin nicht aus den Augen.
Fazit
Wenn man „Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“ von Becky Chambers liest, begibt man sich auf eine eher ruhige Reise durch ein besonderes Universum. Es ist voller unterschiedlicher Überzeugungen und Einsichten, voller überraschend tiefsinniger Gedanken und besitzt eine gute Portion Humor. Mit feinsinnigem Gespür für die Beziehungen zwischen den Wesenheiten und Kulturen führt die Autorin durch eine Welt, in der zwar manches im Argen liegt – die (meisten) Lebewesen aber dennoch einen harmonischen Konsens gefunden haben. Dieses Buch ist etwas für alle, die auf der Suche nach außergewöhnlichen Geschichten sind.
Bewertung
Becky Chambers: Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten | 544 Seiten | Fischer Tor Verlag | ISBN: 978-3-596-03568-7 | 9,99 Euro
Blogger-Feedback
Rezension von Aleshanee
Rezension von Ramona
Rezension von Janine
Hinterlasst Spuren, nicht nur Staub!
Bitte schreibt mir einen Kommentar und verratet mir, was ihr denkt! Über dieses Buch, das Universum oder alles, was euch auf der Zunge liegt. Was haltet ihr von „Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“? Findet ihr den Titel auch so famos wie ich? :)
6 Comments
Hallo Sandy,
danke für die Verlinkung! Ich war auch sehr begeistert von Becky Chambers Buch und bin schon sehr gespannt auf den neuen Band, der auch in diesem Universum spielt. Ja, vielleicht hätte etwas mehr Action vorkommen können, aber diese Entdeckungsreise quer durchs Universum und all die unterschiedlichen Lebewesen mit ihren speziellen Familien/Gesellschaftsstrukturen haben mich restlos begeistert!
Viele Grüße
Ramona
Hallo Romona,
gerne doch! Ich habe den zweiten Band auch schon auf der „Zu-Lesen-Liste“. Hast du es schon fertig? Ich hab gesehen, du hast es angefangen.
LG Sandy
Ave,
irgendwie hatte ich das Buch bislang so gar nicht auf dem Schirm. Klar, der Titel ist mir (sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch) schon öfters begegnet, gerade weil er so markant ist. Allerdings habe ich mich trotzdem irgendwie nie mit dem Inhalt befasst – bis ich gerade eben in deinem Monatsrückblick darüber gestolpert bin.
Gerade der Ansatz mit den verschiedenen Gesellschaftsformen klingt nach einem Fall für mich. Deswegen wird das Buch jetzt wohl auf meine Wunschliste wandern.
Liebe Grüße
Seitenfetzer
Hallihallo!
Freut mich, dass ich dich inspirieren konnte. Ich hoffe, dass das Buch was für dich ist. Und dann vllt. auch Band 2, der klingt vom Klappentext her wieder ebenso unterhaltsam, wie gesellschaftskritisch. Ich werde ihn mir definitiv anschauen. :)
LG Sandy
[…] Buchstabenstadt • Lesemensch • Moyas Buchgewimmel • Tintenmeer […]
Liebe Sandy,
deinen Fangirl-Moment kann ich sowas von nachvollziehen, ich finde den Titel auch wahnsinnig toll, genauso wie das Cover. Eine der wenigen Ausgaben, bei denen ich das deutsche Cover sogar noch schöner finde als das englische. Als ich das Buch auf meine Wunschliste gesetzt habe, musste ich es mir direkt kaufen. :D
Eine tolle Rezension hast du geschrieben! Wenn ich das Buch nicht gerade gelesen hätte, hätte ich es spätestens jetzt auf meiner WuLi. :)
Liebe Grüße,
Hannah