Den Tag nach ihrem neunzehnten Geburtstag wird Kira nicht mehr erleben. Ihr Entschluss steht fest. Nur so kann sie endlich frei sein. Nur so kann sie ihrer Vergangenheit entkommen, den schlimmen Jahren zu Hause und im Heim und der alles verschluckenden Dunkelheit in ihr.
Doch dann flattert ihr eine Benachrichtigung der DKMS aus dem Briefkasten entgegen. Plötzlich ist da dieser Junge, dem sie durch eine Knochenmarkspende das Leben retten könnte – die Chance, noch einmal etwas Bedeutsames zu tun, bevor sie geht. Sie ahnt nicht, dass Robin alles daran setzen wird, sie kennenzulernen. Dass er ihr wichtig werden könnte. Oder dass er versuchen könnte, im Gegenzug ihr Leben zu retten. Obwohl er doch um sein eigenes kämpfen müsste. (Klappentext)
Rezension
Anne Lück gehört zu den jungen Nachwuchsautorinnen, die ihr definitiv im Auge behalten solltet! Durchgestartet ist sie 2013 mit ihrer Fantasy-Trilogie „Endless Life“. Dass sie auch ohne Engel und Dämonen großartige Geschichten schreiben kann, bewies sie mit ihrem ersten Contemporary-Jugendbuch, mit dem sie 2017 den „digi:talents Schreibwettbewerb“ vom Arena Verlag gewann.
„Von der Wahrscheinlichkeit, zwei Leben zu retten“ ist eine sehr emotionale, teilweise düstere Geschichte, die von den Schicksalen zweier junger Menschen erzählt, die sich unverhofft verbinden. Sie erinnerte mich ein wenig an die Bücher von Kira Gembri. Deren Leichtigkeit findet sich bei Anne Lück aber nicht so sehr wieder. Allerdings hat mich das nicht gestört, denn die Thematiken sind hart und dürfen meiner Meinung nach ungeschönt gezeigt werden.
Weil die Geschichte abwechselnd aus der Sicht der beiden Protagonisten Robin und Kira erzählt wird, bekommen wir einen tiefen Einblick und werden ganz schnell warm mit ihnen. Beide sind auf ihre Weise starke, sympathische und authentische Charaktere, denen Anne Lück zwei ganz verschiedene Stimmen verliehen hat.
Robins Welt ist mit seiner Krebsdiagnose von einigen Monaten aus den Fugen geraten. Seiner Umwelt spielt er die meiste Zeit den Starken vor, obwohl es manchmal in ihm anders aussieht. Denn natürlich verzweifelt er mit jedem Tag, der vergeht, ohne dass ein Knochenmarkspender gefunden wird. Dennoch verliert er seinen Optimismus nicht. Jeden Tag postet er auf seinem Blog ein Bild, als Zeichen für seine Freunde – und für sich -, dass er noch da ist.
Kiras Welt ist schon vor Jahren zerbrochen. Was ihr passiert ist und wie es mit ihrem Leben weiterging, erfahren wir nach und nach. Das dunkle Geheimnis lässt sich aber schnell erahnen und ist bei der Auflösung eigentlich keines mehr. Das tut der Geschichte aber keinen Abbruch, denn der Fokus liegt auf Kiras Gefühlen und Gedanken, die einen beim Lesen sehr mitnehmen. Dass sie aufgrund ihrer Vergangenheit unter einer Depression leidet, ist offensichtlich. Die Folgen dieser Krankheit hat die Autorin meiner Meinung nach sehr gut beschrieben.
Manchmal hatte ich das Gefühl, dass die Handlung im Krankenhaus ein wenig unrealistisch ist. Sicherlich geht es in der Realität an so einem Ort (vor allem in Deutschland) viel geregelter und bürokratischer zu. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man hier so viele Freiheiten hat – aber ich habe das unter künstlerischer Freiheit verbucht und gestört hat es mich auch nicht. ;)
Gegen Ende spitzen sich die Ereignisse zu und es wird noch einmal richtig spannend. Ich fand es super, dass es sich die Autorin hier nicht zu einfach gemacht und für uns noch einmal an der Dramatikschraube gedreht hat.
Ach, und wer den Klappentext liest und sich denkt: „Och, nö, bitte kein Krebsbuch!“, der kann beruhigt sein. Das hier ist definitiv keins! Ich mag die persönlich nämlich gar nicht. Der Titel des Buches sagt es ja schon: Es geht hier darum, zwei Leben zu retten.
Fazit
Wer emotionale Jugendbücher ohne Fantasy, aber mit viel Tiefgang mag, muss „Von der Wahrscheinlichkeit, zwei Leben zu retten“ von Anne Lück unbedingt lesen. Sicher ist es nicht leicht, gleich zwei so große Problematiken – Krebs und Depressionen – in einem Buch überzeugend zu verbinden. Hier aber wirkt es so, und das ist die große Kunst. Für beides hat die Autorin viel Feingefühl gezeigt und das spiegelt sich in den beiden liebenswerten Protagonisten wider. Auch wenn die Geschichte einige düstere und ergreifende Momente hat, die einen emotional sehr mitnehmen, schlägt man das Buch am Ende mit einem guten Gefühl und einem Lächeln zu.
Bewertung
Anne Lück: Von der Wahrscheinlichkeit, zwei Leben zu retten | 278 Seiten | Arena Verlag | ISBN 978-3-401-84013-0 | E-Book | 3,99 Euro
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