Artikelbild Der Fluch von Carrow House Darcy Coates
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Der Fluch von Carrow House von Darcy Coates (und wieso das nicht viel mit Shirley Jacksons Hill House zu tun hat)

Carrow House ist das perfekte Spukhaus. Es steht einsam an einer Klippe am tosenden Meer, beherbergt seit Jahrzehnten keine menschlichen Bewohner mehr und hat eine blutige Vergangenheit. Selbstverständlich gehen darin die Geister jeder Menge Ermordeter um. Gemeinsam mit Fremdenführerin Remy können Gäste es einmal in der Woche besuchen und auf übersinnliche Erscheinungen hoffen. Da Remy bisher kaum etwas von den Erscheinung selbst erlebt hat, nimmt sie das Angebot von Mark Sulligent an, mit ihm und einigen spirituell Aufgeschlossenen zwei Wochen im Carrow House zu wohnen.

Willkommen, verehrte Gäste, am berüchtigten Carrow House. Möge das Schicksal verhüten, dass Ihnen während Ihres Aufenthaltes ein Ungemach widerfährt.

Kap.1, Ab.6

Den Einstieg in die Geschichte hat Darcy Coates absolut spannend gestaltet. Wir begleiten Remy, auf deren Point of View die Geschichte beschränkt ist, bei einer ausführlichen Führung durch das Spukhaus. Dabei erfahren wir die Historie des Gebäudes, die wie so oft in solchen Geschichten hoffnungsvoll beginnt und äußerst blutig endet. Zimmer für Zimmer enthüllt Remy die Geschichten der hier Ermordeten und damit die Identität des Hauses als „Mörderhotel“.

Damit legt Coates einen perfekten Start für ihre Gruselgeschichte hin und weckt große Erwartungen. Leider konnte die folgende Geschichte diese für mich nicht ganz erfüllen. Das liegt besonders daran, dass weder Remy als Hauptfigur noch die anderen handelnden Personen im Verlauf der Geschichte zum Leben erwachen. Sie besitzen keine Tiefe und entwicklen sich in keiner Weise, ihre Charakterisierung geht nicht über eine Strichzeichnung hinaus.

Und gerade da hinkt der Vergleich zu Shirley Jacksons „Spuk in Hill House“, der so vollmundig vom Verlagsmarketing versprochen wird. Gut, man schrieb, Carrow House stehe in der Tradition von Shirley Jacksons berühmten Werk. Aber das ist genauso, als würde ich behaupten, ich kochte in der Tradition von Jamie Oliver, weil ich meinen Salat mit den Händen umrühre.

Remy ist eine sympathische Hauptfigur, aber man erfährt so gut wie nichts über sie. Sie interessiert sich sehr für Carrow House und seine Geister und hat spirituelle Fähigkeiten, die „leicht über dem Durchschnitt“ liegen. Zur Gruppe gehört sie, weil sie die Geschichte des Hauses sehr gut kennt, dieses Wissen spielt aber leider nur selten eine Rolle.

Wir erleben die Geschichte personal erzählt ausschließlich aus Remys Perspektive. Ihre Gedanken und inneren Vorgänge bleiben jedoch sehr oberflächlich. Die Perspektiven weiterer Figuren – vor allem wenn sie konträr zu Remys gewesen wären – hätten die Geschichte definitiv bereichert. Von einer Erzählerin wie Eleanor Vance mit einer komplexen, undurchsichtigen Psyche, der wir kaum ein Wort glauben können, ist Remy allerdings sehr weit weg. Es trennen sie Welten – um nicht zu sagen: Sie befinden sich nicht mal im gleichen Universum.

Buchcover Der Fluch von Carrow House

Coates führt die Leser nie aufs Glatteis, wie Jackson es tut. Sie spielte nicht mit der Atmosphäre, der Frage nach der Wirklichkeit bzw. der Wahrnehmung einer psychisch kranken Erzählerin. Ihre Geschichte ist eine solide Geistergeschichte, wie man sie sich am Lagerfeuer erzählen würde – und sicher auch gutes Material zum Verfilmen. Es gibt eine ganze Reihe unheimlicher Momente, Séancen, knarrende Türen und Dachboden- und Keller-Szenen, an denen man seine Freude hat. Außerdem einen actiongeladenen Showdown in der stürmischen Gewitternacht und ein recht zahmes Ende, das die Gemüter wahrscheinlich spaltet. Aber Coates erzählt nichts Neues, nicht Besonderes. Wer sich so etwas erhofft, wird sicher enttäuscht. Wer aber gute Lagerfeuer-Unterhaltung sucht, wird hier auf jeden Fall fündig.

Fazit

„Der Flucht von Carrow House“ von Darcy Coates ist eine unheimliche Spukhaus-Geschichte, die zwar nicht durch Originalität glänzt, aber durchaus Spaß macht. Wer sich gerne gruselt und ein paar Nächte in einem Haus voller Geister verbringen möchte, sollte hier einen Blick riskieren. Wer jedoch ein Buch wie „Spuk in Hill House“ erwartet, wird höchstwahrscheinlich enttäuscht. Psychologische Untiefen gibt es bei Coates Figuren nicht, ihre Geschichte dreht sich einfach um ein Haus, in dem Geister umgehen.

Bewertung

Darcy Coates: Der Fluch von Carrow House | Festa Verlag | 416 Seiten | ISBN 978-3-86552-776-9 | 14,99€ (TB) / 4,99€ (E-Book)

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1 Comment

  • Reply Sinah 10. November 2019 at 19:05

    Hallöchen :)
    Habe mich gerade sehr über die Rezension gefreut, da ich das Buch gerne lesen wollte, aber eben noch unsicher war. „Spuck in Hill House“ kenne ich allerdings auch noch nicht :D Danke für die Rezi :)

    Alles Liebe,
    Sinah

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