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{Rezension} Wild – Sie hören dich denken von Ella Blix

Noomi, Olympe, Flix und Ryan – vier kriminelle Jugendliche, die ganz unterschiedliche Straftaten begangen, aber die gleiche Strafe bekommen haben. Sie treffen sich im Camp Feel Nature im Elbsandsteingebirge. Mitten im Wald, fernab der Großstadt, sollen sie in den kommenden Wochen Blockhütten renovieren. Abgesehen davon, dass die vier auf diesen Arbeitseinsatz nicht wirklich Bock haben, wird schnell klar, dass mit diesem Ort ein Geheimnis verbunden ist. Etwas scheint sie zu beobachten, zu lauern, und auch die Jugendlichen selbst spüren etwas Ungewöhnliches an sich.

Auf das neue Jugendbuch von Antje Wagner und Tania Witte habe ich mich schon sehr gefreut und auch die Ankündigung als unheimlicher Nature-Science-Thriller klang fantastisch. Ich ziehe das Pflaster am besten schnell ab: Leider konnte das Buch sein Versprechen für mich dieses Mal nicht halten. Aber beginnen wir von vorn.

Der Anfang hat mir sehr gut gefallen. Wir lernen die vier Jugendlichen kennen, die zwar alle aus Berlin, aber aus ganz unterschiedlichen Lebensverhältnissen kommen. Das macht jede Figur auf ihre Weise einzigartig und bringt viel Identifikationspotenzial mit. Ich mochte alle vier auf Anhieb und war gespannt darauf, warum sie mit dem Waldcamp bestraft wurden. Um die Gründe haben die Autorinnen auch eine Weile ein Geheimnis gemacht, was gut zur Spannung beigetragen hat. Die Auflösungssituationen erschienen mir hingegen manchmal irgendwie willkürlich gewählt. 

Worauf die Geschichte hinauslaufen würde, war für mich schon sehr früh im Buch offensichtlich, was ich sehr schade fand. Denn damit war viel Spannung raus. Einer jüngeren Leserschaft geht es da wahrscheinlich nicht so, weshalb ich das gar nicht als Kritikpunkt sehen würde. Die Spannungsbögen sind trotzdem sehr schön ausgearbeitet. Es gibt immer wieder kleine Cliffhanger, die zum Weiterlesen animieren.

Rückblickend betrachtet habe ich sogar das Gefühl, dass diese Geschichte nicht so erzählt wurde (oder werden konnte), wie es mal ursprünglich gedacht war. Besonders der Klappentext schürt einerseits Erwartungen, die gar nicht erfüllt werden, und fasst andererseits nahezu das ganze Buch zusammen. Die hier angekündigte Kommunikation der Waldtiere mit den Jugendlichen beispielsweise findet meiner Meinung nach gar nicht wirklich statt. Und gerade das wäre ein superspannender Aspekt für die Geschichte gewesen.

Der Wald war alles andere als still. Er lebte.
Er stand vor einem umgefallenen Baum und lauschte dem Hämmern von Spechten. Aus einem Gebüsch kam ein leises Tschilpen. Überall knackte und knisterte es.

S.151

Auch der mit diesem Thema verbundene Science-Anteil konnte mich leider nicht überzeugen. Ob es wirklich einen Forschungsbereich gibt, wie er hier beschrieben wird, weiß ich zwar nicht, aber das Ganze erschien mir doch eher fantastisch. Vielleicht kann man es so betrachten: Selbst wenn es in dem Bereich wissenschaftliche Bemühungen gibt, konnte das Buch mir diese nicht überzeugend genug transportieren. Mit dem hier beschriebenen Ansatz und ganz besonders dem Resultat würde ich das Buch klar im Fantasy-Genre verorten. Auch im Vorgängerbuch des Autorinnenduos „Der Schein“ gab es so einen wissenschaftlich angehauchten Fantasy-Aspekt, daher war damit zu rechnen. Allerdings fand ich diesen Mix im „Schein“ überzeugender umgesetzt.

Wirklich toll war wieder einmal der lockere und trotzdem bildreiche Schreibstil, den man von beiden Autorinnen schon kennt. Die wunderbaren Naturbeschreibungen, das Wald-Feeling, waren für mich das Highlight des Buches. Es hätten gern noch mehr sein können. Auch die Perspektivwechsel zwischen den vier Hauptfiguren haben das Lesen kurzweilig gestaltet und einen tieferen Einblick in die Gedanken, Gefühle und Geheimnisse der Jugendlichen ermöglicht. 

Fazit

„Wild – Sie hören dich denken“ von Ella Blix bietet einer jüngeren Zielgruppe ein spannendes und tatsächlich waldreiches Leseabenteuer mit fantastischen Elementen. Durch die vier sehr unterschiedlichen Charakteren ist viel Identifikationspotenzial gegeben. Allerdings war für mich das zentrale Science-Thema, die Kommunikation zwischen Mensch und Tier, nicht tief genug ausgearbeitet. Wie man so schön sagt: Daraus hätte man viel, viel mehr machen können. So bleibt dies zwar ein gutes Jugendbuch, das sprachlich viel zu bieten hat. Das besondere Etwas, das i-Tüpfelchen fehlte mir aber leider.

Bewertung 

Ella Blix: Wild – Sie hören dich denken | 372 Seiten | Arena Verlag | ISBN 978-3-401-60510-4 | Hardcover | 18 Euro

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