Mystic City Das Gefangene Herz
Bücherschrank, Verriss

{Verriss} Mystic City – Das gefangene Herz von Theo Lawrence

400 Froschrezepte? Bärtewaschen mit Naturschwämmen? Wie man ein Huhn kämmt? Selbst Hildegunst von Mythenmetz konnte dereinst ein Lied davon singen: von miesen Bücher, die uns die Zeit und die Lust am Lesen klauen. Im Gegensatz zu unserem hochgeschätzten, mit dem Orm gesegneten Dichtermeister können wir solche erstandenen Bücher oft nicht einfach wegwerfen, müssen sie sogar fertig lesen. Als Entschädigung darf dann aber auch mal richtig frei von der Leber weg gemeckert werden. Bühne frei!

Hallo ihr Lieben, vor einer Weile habe ich mich mit der lieben Sarah vonbuchverliebt und einigen anderen zusammengeschlossen, um „Mystic City 1 – Das gefangene Herz“ zu lesen. Gemeinsam lesen fördert ja die Motivation. Und diese hab ich bei dem Buch auch gebraucht! Denn, ganz ehrlich: Es war eines der schlechtesten Bücher, die ich je gelesen habe! Leider. !ACHTUNG LEICHTE SPOILER WEIT UND BREIT!

Allein der Klappentext und der Prolog sind schon wahre Spannungskiller! Sie verraten viel zu viel und ich bin dadurch die ganze Zeit schlauer als die Protagonistin. Ganz ganz blöde Idee …

Nachdem also schon der Anfang missglückt, wird es nicht besser. Ich habe die ganze Zeit nur den Autor gesehen, nicht die Geschichte. Es kam mir so vor, als stünde er mir gegenüber auf der anderen Straßenseite, würde mir zuwinken und rufen: „Hey, GENAU SO sieht das Gebäude hier aus!“ und „Jetzt sollst du glücklich aufseufzen!“, „Jetzt gefälligst um Aria bangen!“ und „Guck mal, was ich mir für tolle Wendungen ausgedacht habe!“ Die wohlbekannte Schreibregel „Show, don’t tell!“ wird konsequent missachtet, dadurch entstehen einfach keine Bilder im Kopf. Das Geschriebene erhebt sich nicht vor meinen Augen, es bleibt zweidimensional. Nur unbedeutende schwarze Tinte auf weißem Papier.

Die Protagonistin ist derart naiv, das geht auf keine Kuhhaut mehr! Sie merkt schon am Anfang der Geschichte, dass ihre Eltern und Freunde ihr etwas verheimlichen, forscht auch ein bisschen nach, klammert sich aber trotzdem an die alten Gewohnheiten und denkt: „Mein Verlobter ist zwar ein arroganter Arsch und hintergeht mich, aber ich kann ja trotzdem versuchen, mich in ihn zu verlieben.“ Hmmmpf. Dann flüchtet sie dauernd aus ihrem „ach so bewachten Zimmer“, um sich mit einem Typen zu treffen, den sie kaum kennt, dem sie aber bedingungslos vertraut und sogar liebt. Warum? Keine Ahnung. Denn die Lovestory ist aufgesetzt und nur behauptet, Stichwort „InstaLove“. Kitschig und klischeehaft bis zum Geht-nicht-Mehr. Die Liebesbriefe sind so schnulzig wie aus einem schlechten Groschenroman geklaut.

Außerdem wird man die ganze Zeit mit unwichtigen Details (Frisuren und Klamotten der Charaktere, Beschreibung jedes Ziegelsteins der Stadt) zugeschüttet. Unendlich viele Adjektive und Infodump. Weniger wäre mehr gewesen, so kann ich mir weder die Umgebung noch die Personen vorstellen, geschweige denn merken! Dafür bleiben die wichtigen Hintergründe schwammig. Was nützt es mir, zu wissen, dass Person x eine „Bananenfrisur“ (was auch immer das sein soll), ein blaues Kostüm, eine weiße Bluse, blau geschminkte Augen und hohe Schuhe trägt und Person y ein weißes Hemd, einen schwarzen Anzug, teure Schuhe, glatt gekämmte Haare usw.? Zeig uns nicht das Gewöhnliche, zeig uns lieber, was die Personen BESONDERS macht! Zeig uns etwas über die WIRKLICH wichtigen Dinge! Wer sind die unterdrückten Mystiker? Wie haben sie gelernt, mit ihren verschiedenen Kräften umzugehen und wie sehen diese genau aus? Wie sieht die geheime Gemeinschaft der Mystiker aus, wie das tägliche Leben in den Kanälen unterhalb der Stadt? Dazu bekommen wir kaum Infos.

Die Geschichte ist bevölkert mit Massen an austauschbaren Stereotypen, die keine Daseinsberechtigung im Plot haben: Kiki, die tussige, quirlige, überkandidelte beste Freundin; der ach so mysteriöse, verschlossene Bad Boy (von wegen), der sich als verständnisvolles, Liebesschwüre sülzendes Weichei entpuppt und dauernd gewollt lockere Sprüche klopft und die bösen, bösen Eltern, die ihre Tochter aus unerfindlichen Gründen wie Dreck behandeln. Sie sind alle nur Pfeile im Köcher des Autors, die er nach Bedarf abschießen kann, um zum rechten Zeitpunkt die steckengebliebene Story anzustoßen. Ich war einfach zu keiner Zeit in der Geschichte, stets nur Beobachter, habe gesehen, was getan wird, aber nicht was das mit den Figuren macht, wie sie darauf reagieren, daran scheitern, daran wachsen.

Ich habe das Gefühl, die Story war zuerst da und wurde den Charakteren wie eine Zwangsjacke übergestülpt, so dass sie keine Luft zum Atmen haben. Sie ist komplett vorhersehbar und unlogisch. Nachdem Arias Eltern bereits zweimal etwas Schlimmes, Unverzeihliches getan haben, geht sie trotzdem wieder zu ihnen zurück und versucht auch noch, mit ihnen klarzukommen? Nach dem Motto: „Es sind eben meine Eltern, was soll ich machen? Wo soll ich hin?“ Kein Funken von Auflehnung oder Rebellion! Dabei hätte sie doch wenigstens geheime Pläne schmieden und zu Hunter flüchten können. Das macht Aria schwach und unglaubwürdig. Sie ist eine schrecklich passive Protagonistin, die NICHTS, ABER AUCH GAR NICHTS aktiv tut, keinen Stein ins Rollen bringt, nie richtig für andere eintritt oder Ähnliches. Sie lässt sich durch die Geschichte treiben wie ein Stück Holz im Wasser, eckt mal hier und mal dort an, fließt aber immer mit dem Strom. Ich dachte, der Moment MUSS doch irgendwann kommen, wollte sie schütteln und anschreien, dass sie doch endlich mal einen Ton sagen oder etwas tun soll, aber nichts da. Sie blieb eine Gefangene des fest zusammengeschnürten Storykorsetts.

Wo blieben die tiefgründigen Gespräche, die weltbewegenden Entscheidungen, die atemberaubenden Szenen, die epischen Momente? Warum lässt mich der Autor nicht die Magie in Mystic City bestaunen und die Welt erleben? Ich kaufe ihm NICHTS ab, von dem, was er schreibt. Vor allem nicht die abgestandenen, erzwungenen Gefühle. Die Geschichte ist ein zusammengeschusterter Flickenteppich ohne Sinn und Verstand. Eine tote, leere Hülle. Ein Drehbuch für einen Film, der spannend sein könnte, aber letztlich doch nur ein Skelett ohne Fleisch auf den Rippen ist. Wie kann man auf so vielen Seiten, nur so wenig sagen? Ich bin gedanklich immer wieder ausgestiegen bzw. war ich nie richtig drin. Es ist alles so STERIL. Ich sehe, höre, rieche, schmecke und FÜHLE es nicht.

Aber das ALLERSCHLIMMSTE, ihr Lieben, waren die Dialoge!!! Wie aus einem schlechten Hollywoodfilm geklaut. Überdramatisiert, zu gewollt, unfreiwillig komisch und peinlich berührend.

Kleine Kostprobe gefällig? Na gut, ihr habt es nicht anders gewollt:

Arias Vater während einer sehr dramatischen Szene zu Hunter: „Sprich nicht in diesem Ton mit meiner Frau“, […] „Am besten hältst du ganz den Mund[…]“

– Theo Lawrence: Mystic City, Seite 369

ÄHM, NEIN. EINFACH NEIN.

„Weißt du, was ich für dich empfinde? Mir ist, als müsste ich sterben, wenn du nicht da bist. Und wenn du da bist, glaube ich sterben zu müssen, wenn du gehst. Das kann doch nur …“ „… Liebe sein?“, fragt Hunter mit großen Augen. Ich schlucke und nicke gleichzeitig. „Das glaube ich. Das hoffe ich.“ „Ich liebe dich auch“, antwortet er. „Mehr als alles auf der Welt.“

– Theo Lawrence: Mystic City, Seite 284

OHNE WORTE.

„Das ist irre“, flüstere ich ihm ins Ohr. „Wir kennen uns doch erst so kurze Zeit [Anm.: ein paar Tage wohlgemerkt], aber es fühlt sich so an … als hätte ich mein ganzes Leben lang auf dich gewartet.“

– Theo Lawrence: Mystic City, Seite 285

JA NEEE, IS KLAR!

Und derlei gibt es zuhauf! Alles Dialoge à la „Ich liebe dich, aber es darf nicht sein!“, „Lauf weg und rette dich selbst!“, „Wir dürfen nicht zusammen sein, sonst bringe ich dich in Gefahr!“, „Ich beschütze dich, solange ich kann.“, „Wenn du in Sicherheit bist, bin auch ich glücklich!“ Oh Mann.

Aber das Buch hat wenigstens drei Pluspunkte: das wunderwunderwundervolle Cover, die Idee und dass man es schnell ausgelesen hat (Gott sei Dank!). Es tut mir im Herzen weh, dass aus der tollen Grundidee nicht mehr gemacht wurde. Die Struktur der Stadt und die Magie waren an sich spannend und da wäre so viel mehr drin gewesen!

Ich habe mit Fortschreiten der Story leider nur noch die Stirn gerunzelt, den Kopf geschüttelt und „ECHT JETZT?“ und „NICHT IHR ERNST!“ und „WTF?“ gerufen.

Ich hab nach dem Lesen im Netz gestöbert, ob ich mit meiner Meinung alleine dastehe. Es gibt immerhin einige Leute, die wie ich nicht sehr begeistert waren, aber auch überraschend viele positive Meinungen. Ich finde es ja immer wieder erstaunlich, wie weit die Meinungen auseinandergehen und dass viele das Buch richtig gerne mochten. Ich will hier auch niemanden beleidigen oder den Spaß am Lesen verderben. Das hier ist ja nur MEINE persönliche, ehrliche Meinung. Ich hab mich auch gefragt, ob es vielleicht an mir liegt. Bin ich schon zu „alt“ für solche Jugendbücher (mit meinen zarten 26 Jahren)? Vielleicht ist es eher was für jüngere Leser, die das alles nicht stört und sich gern ihren eigenen Teil mit viel Fantasie dazu dichten wollen? Die noch nicht so viele atemberaubende Jugendbücher gelesen haben wie ich? Die Trilogien „Ich fürchte mich nicht“, „Grischa“ und „Godspeed“ haben mich geprägt und die Latte ziemlich hoch gelegt.

Fazit

„Mystic City“ war eines der schlechtesten Bücher, die ich je gelesen habe. Ich war SO KURZ davor, das Ding vom Balkon zu schmeißen! Und eigentlich hätte ichs abgebrochen, aber ich hab mich im Sinne unserer gemeinsamen Aktion durchgekämpft. Selten war ich so genervt und enttäuscht von einem Buch. Teil 2 kann mir gestohlen bleiben. Ein hübscher Körper allein reicht eben nicht aus, wenn Hirn und Herz fehlen!

Und wer von euch hat das Buch schon gelesen? Wie hat es euch gefallen? Gibt es vielleicht sogar Mitleidende, die die Geschichte genauso empfunden haben wie ich? Ich bin furchtbar neugierig und nehme alle Kommis, die ich kriegen kann! :D

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