Klappentext: Victor und Konrad Frankenstein lieben einander so innig, wie es nur Zwillinge vermögen. Allein die schöne Elizabeth steht zwischen ihnen. Dann erkrankt Konrad plötzlich an einem unheilbaren Fieber. Victor ist verzweifelt. Er würde alles tun, um seinen Bruder zu retten. In einer geheimen Bibliothek stößt er auf ein Buch, das die Rezeptur zum legendären „Elixier des Lebens“ verspricht. Der aufgeklärte Victor ist skeptisch. Doch was hat er zu verlieren? Zusammen mit Elizabeth macht er sich auf die Suche nach den furchterregenden und grotesken Zutaten. Unvorstellbare Prüfungen erwarten die beiden – und unerwartete Versuchungen. Die Macht über Leben und Tod zieht Victor mehr und mehr in ihren Bann …
Rezension
Genf um 1800. Die Revolution in Frankreich ist in vollem Gange, die Alchemie bei Strafe verboten. Wissenschaft ist es, die ihren Stellenwert eingenommen hat, und die Aufklärung durchdringt langsam, aber sicher die Köpfe der Menschen. Dies ist die Zeit, in der Victor und Konrad Frankenstein leben. Ihr Vater, ein hoher Richter in Genf, vertritt enorm liberale Ansichten und lebt diese auch. Ihre Tage auf Schloss Frankenstein sind sorglos. Kinder, Eltern, selbst die Dienerschaft, die sonntags von den Herrschaften bekocht wird, könnten nicht glücklicher sein.
Doch dann bricht die Katastrophe herein und dieses Idyll zerbricht. Konrad erkrankt schwer an einer unbekannten Krankheit und kein Arzt vermag, ihm zu helfen. Doch Victor hat die rettende Idee. Erst wenige Tage zuvor hatten die Zwillinge mit ihren Freunden Elizabeth und Henry eine geheime Bibliothek im Schloss entdeckt, in der sich allerhand alchemistische Bücher und Geräte befinden. Wenn also die Wissenschaft versagt, könnte denn nicht vielleicht die Alchemie Konrads Leben retten? Die drei entscheiden sich, alles dafür zu tun, das sagenhafte „Elixier des Lebens“ zu erschaffen, um die Krankheit zu besiegen. Diese Aufgabe führt sie an düsterere Orte, als sie sich je hätten vorstellen können.
Ich habe eine Schwäche für Schauergeschichten und Düsteres. Ich liebe Poe und James und alles, was die Realität verdreht, ohne dass man es bemerkt. Aus diesem Grund musste dieses Buch einfach in mein Regal, und dort auch nicht wirklich lange ungelesen verweilen. Allerdings muss ich zugeben, dass der Untertitel wohl den größten Ausschlag gegeben hat. „Düsteres Verlagen“ entspricht meiner Meinung nach zwar gut der Geschichte, doch leider klingt dieser Titel doch ein bisschen zu sehr nach dem LYX-Verlag. Cover und Untertitel versprechen aber etwas anderes und halten dieses glücklicherweise auch.
Was uns bei Kenneth Oppels Roman erwartet, ist eine wirklich tolle Schauergeschichte, die den Leser schon in den ersten Zeilen fesselt. Abenteuerlich beginnt die Handlung und wird dann immer düsterer, als bedeckten dunkle Wolken mehr und mehr den Himmel. Der Schreibstil ist flüssig und nicht sehr kompliziert – wie man es von einem Jugendbuch erwartet. Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive von Victor berichtet, der es jedoch sehr gut versteht, auch die anderen Figuren und ihre Gedanken und Verhaltensweisen zu analysieren und zu reflektieren. In diesem Fall finde ich den Point of View ausnahmsweise einmal gut gewählt, denn Victor ist ein außergewöhnlicher Charakter, den man auf diese Weise besser zu verstehen lernt.
„Victor, sie will, dass du damit aufhörst.“
Oppel: Düsteres Verlangen, S.278f
„Hm. Ich bin erstaut“, sagte ich. Und aus einem teuflischen Impuls heraus fragte ich: „Hat sie dir nichts von unserem langen Mitternachtskuss erzählt?“
Konrads Gesicht wurde starr. Ein Treffer. Doch fast sofort schmeckte mein Sieg sauer.
Neben der schaurigen und fesselnden Handlung lebt die Geschichte besonders durch ihre sehr unterschiedlichen Charaktere, welche allesamt komplex und wirklich realistisch ausgearbeitet sind. Obwohl Victor und Konrad Zwillinge sind und sich äußerlich bis aufs Haar gleichen, sieht es in ihrem Inneren völlig anders aus. Konrad ist klug, zurückhaltend, handelt bedacht. Allem begegnet er mit Vorsicht, doch vorurteilsfrei. Trotz der liberalen Haltung seiner Familie ist er ein wenig altmodisch, traut Elizabeth vieles nicht zu und will sie die ganze Zeit beschützen.
Victor hingehen vermag es nicht, seine Leidenschaften zu zügeln. Er ist impulsiv, wissbegierig und trotzig. Er geht mit dem Kopf durch die Wand, wenn er muss, nimmt sich, was er will – und ist sich trotzdem die ganze Zeit der Konsequenzen bewusst. Er liebt seinen Bruder mit ganzer Seele, doch hier liegt der Hase im Pfeffer. Denn was, wenn sein Bruder und er plötzlich das Gleiche wollen? Loyal, doch nicht gefeit vor bösen Gedanken, kämpft er um das Leben seines Bruders und gleichzeitig um die Liebe Elizabeths.
Elizabeth, eine entfernte Cousine der Frankenstein-Zwillinge, hatte das Glück, von ihrem Onkel adoptiert zu werden. Sie geniest viele Freiheiten, ist abenteuerlustig, sehr klug und gelehrsam. Im Gegenzug zur ganzen Frankenstein-Familie ist sie sehr gläubig und besucht jede Woche den Gottesdienst. Während Konrad in ihr eher die liebevolle, treue Frau sieht, erkennt Victor ihre wilde und freiheitsliebende Seite.
Der vierte im Bunde ist Henry. Er hat eine „Dichterseele“, seine Fantasie ist unerschöpflich, doch wenn es um die Realität geht, verlässt ihn oft der Mut. Im Kampf um Konrads Leben aber schafft er es, über sich hinauszuwachsen. Das, was alle vier verbindet, ist ihre grenzenlose Loyalität zueinander, die wunderbar durch den Autor herausgearbeitet wurde.
Fazit
„Düsteres Verlangen“ von Kenneth Oppel ist eine fesselnde Schauergeschichte mit wunderbaren Charakteren. Besonders die Abgründe, die in Victor lauern, wurden vom Autor ausgezeichnet herausgearbeitet. Und obwohl die Geschichte aus der Ich-Perspektive geschrieben wurde, kamen die anderen Charaktere hier nicht zu kurz, den Victor ist ein guter Beobachter und kluger Erzähler. Empfehlen würde ich das Buch eher an Jugendliche ab 15 und junge Erwachsene. Allen, die wie ich Schauergeschichten lieben, sei dieses Buch aber wirklich ans Herz gelegt.
Bewertung
Kenneth Oppel: Düsteres Verlangen – Die wahre Geschichte des jungen Victor Frankenstein I Beltz & Gelberg I 377 Seiten I 978-3-407-81121-9 I Originaltitel: This Dark Endeavour, The Apprenticeship of Victor Frankenstein I 16,95 Euro
5 Comments
Nach deiner Rezension kann man ja nicht anders, als das Buch in den Warenkorb zu legen. Bin gespannt woraus das Exlixier des Lebens diesmal gemacht wird.
Wenn du noch was zu lachen brauchst, such doch mal bei Thalia nach dem Artikel und schau dir den unteren Teil der Artikelbeschreibung an:
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Hi Makro,
du scheinst ja schon das ein oder andere Rezept probiert zu haben. Falls du mal Erfolg hast, schreibt mir! ;)
Die ähnlichen Artikel sind der Hit. hihi :)
Liebe Grüße
Sandy
Die Rezension spricht mir wirklich aus der Seele. Meine dazu wird heute abend erst auf meinem Blog zu finden sein, dass jetzt erstmal die Arbeit ruft.
aber ich bin durchaus der selben Meinung wie du und das zweite Buch werde ich mir auf jeden Fall holen.
Hallo Shou,
freut mich, dass wir da einer Meinung sind. Der zweite Band ist auch wirklich toll. Ich freue mich schon total auf den dritten. Die Rezi von „Ein dunkler Wille“ findest du übrigens auch in meiner Rezensionsliste! ;)
Liebe Grüße
Sandy