Rezension | Sakura | Kim Kestner | Bücher | Dystopie | Fantasy | Romance | tintenmeer.de
Bücherschrank

{Rezension} Sakura – Die Vollkommenen von Kim Kestner

Es ist die einzige Chance, die sie je haben wird: Als der Kaiser zur „Blüte“ aufruft, weiß Juri, was sie zu tun hat. Aber das Auswahlverfahren, bei dem am Ende nur die Vollkommenen einen Platz an der Oberfläche erhalten, ist hart und unbarmherzig ‒ und Juri nicht makellos genug, um daran teilzunehmen. Trotzdem kann sie nichts davon abhalten. Die dunkle Höhle, in der sie ihr ganzes Leben verbringen musste, will sie um jeden Preis verlassen. Verkleidet als Junge, schmuggelt sie sich unter die Probanden. Doch ausgerechnet der Sohn des Kaisers wird auf sie aufmerksam. Hat er Juris Tarnung durchschaut? Oder spielt auch der Prinz ein doppeltes Spiel? (Klappentext)

Rezension

Ihr Lieben, habt ihr, wie ich, die weichgespülten Dystopien satt? Könnt auch ihr Prinzessinnen in wunderschönen Kleidern, hübsche Prinzen, Bälle, Zickereien am Hof, eine Auswahl à la Bachelor usw. usf. nicht mehr sehen? Dann hergehört: Ich habe DAS BUCH für euch! :D

An „Sakura – Die Vollkommenen“ kam man in den letzten Wochen kaum vorbei – inklusive riesigem Pappaufsteller auf der Leipziger Buchmesse (siehe Foto unten). Dank genialer Zitate, die von Verlag und Autorin veröffentlicht wurden, war es irgendwann um mich geschehen (ich wurde also erfolgreich „weichgekocht“ ^^) und so habe ich ganz schnell den Reader zur Hand genommen und bin in die Story abgetaucht …

Zunächst einmal: Wow! Einfach nur wow für den Mut der Autorin, alles so zu schreiben, wie sie es getan hat, vor allem in einem Jugendbuch. Juri, unsere Protagonistin musste nämlich in ihrem Leben schon viel durchmachen und ihre Backgroundstory ist nicht ohne! Sie hat in jungen Jahren ihren Vater verloren und wurde dann von ihrer Mutter für vermeintliche Medikamente (aka Drogen) verkauft. Fortan musste sie als „Rohrkind“ in den Abwasserrohren der Stadt arbeiten, und als sie zu groß dafür wurde, landete sie einfach auf der Straße ohne Geld, Nahrung und Perspektive.

Auf der untersten Ebene, auf der sie lebt, hat sie noch nie die Sonne gesehen, kennt stattdessen nur Hunger, Armut, Krankheit, Dreck und Tod. Und wisst ihr, wo die Arme zu Beginn des Buches arbeitet? In einer Leichenverbrennungsanlage. Ja, ihr habt richtig gelesen: In einer Leichen-Verbrennungs-Anlage! Als ich die Stelle gelesen hatte, dachte ich nur: „Wtf?“ Übrigens trifft der Klappentext, auch wenn er sich im ersten Moment recht typisch jugenddystopisch anhört, die Story nicht ganz. Ich finde er weckt evtl. sogar falsche Erwartungen, also lasst euch davon nicht verwirren. ;)

Ihr seht, schon der Einstieg in die Story begeisterte mich, und ich bin so unsagbar froh, dass die Autorin uns Lesern und auch ihrer Protagonistin einiges zutraut. Dieser düstere und brutale Ton zieht sich durch die ganze Geschichte. Ich würde sagen, das Buch ist nichts für sehr Zartbesaitete. Blut und viele Tote pflastern Juris harten Weg an die Sonne. Allerdings ist das Lesen trotzdem nicht deprimierend, sondern macht süchtig, weil die Handlung flott voranschreitet und von Anfang an spannend ist.

Juris selbst ist auch kein Jammerlappen, sondern eine starke, junge Frau, die vom harten Leben verständlicherweise abgestumpft, desillusioniert und auch einsam ist. Sie möchte nur für sich selbst verantwortlich sein und nie wieder um jemanden trauern. Ich hatte Mitleid mit ihr (auch wenn sie dieses wahrscheinlich nicht hätte haben wollen) und habe mitgefiebert, in allen Höhen und Tiefen, die sie durchlebte.

Sakura-Aufsteller auf der LBM17

Dabei wird Juri im Laufe der Story auch nicht zu einem Übermenschen, dem auf einmal alles gelingt (und nein sie entwickelt auch keine versteckten magischen Fähigkeiten). Wie erfrischend und vor allem lebensecht! Ich habe ihr von Herzen alles gegönnt, was sie erreicht hat, gerade wegen der andauernden Rückschläge, die sie zu verkraften hat …

Juri ist eine so starke Persönlichkeit, dass neben ihr einige Charaktere etwas verblassen. Dafür habe ich aber zwei besonders ins Herz geschlossen: Ihre beste Freundin Rebecca (ja, später gesteht sie sich ein paar echte Freundschaften zu), die nicht auf den Mund gefallen ist und Dom, ein Probanden-Kollege, den sie bei der „Blüten-Auswahl“ kennenlernt. Leider blieb der Prinz für meinen Geschmack ein bisschen zu blass und irgendwie zu nett, dadurch konnte ich die zarte Liebesgeschichte nicht richtig nachvollziehen.

Dank des ausgereiften und klaren Schreibstils der Autorin rauschte ich förmlich durch das Buch und hätte meinen Reader am liebsten nicht mehr aus der Hand gelegt. Dabei wird nichts beschönigt, aber auch nicht zu detailliert mit Leichenteilen um sich geworfen – es passt einfach perfekt und hat mich die ganze Zeit an Juris Seite gefesselt.

Kommen wir zur Story, die wirklich besonders und eigenständig ist. Wenn man sie mit einer anderen Dystopie vergleichen will, dann bitte nicht mit Selection o. ä. weichgespültem Kram, sondern am ehesten mit den Tributen von Panem wegen der Brutalität, des Auswahlverfahrens und der starken Heldin – was absolut als Lob gemeint ist!

Das System mit den verschiedenen unterirdischen Ebenen fand ich sehr gut durchdacht. Jede Ebene hat ihre eigene Aufgabe, nach der die Menschen dort leben, und man erfährt im Laufe der Story mehr darüber. Die schockierenden Hintergründe, die nach und nach freigelegt werden, ließen mir den Atem stocken und ich musste oft ordentlich schlucken. Zur besonderen Atmosphäre trugen auch die Anlehnungen an die japanische Kultur bei: Kirschblüten, Schreine, der Kaiser und vor allem die Legende um Susanoo (Gott des Windes und des Meeres) und Amaterasu (Sonnengöttin), die die Autorin hier neu interpretiert hat.

Die Geschichte verliert nie an Spannung und es gibt für Juri und den Leser kaum Verschnaufpausen. Zum Ende hin legte sie nochmal an Tempo zu, hat mich in Atem gehalten und mich zufrieden zurückgelassen. Allerdings, und das fand ich sehr schade, ging alles ein bisschen ZU schnell für meinen Geschmack. Überraschende Enthüllungen und rasante Wendungen türmen sich aufeinander und ich kam beim Lesen kaum hinterher. Ich hätte mir manches noch ausführlicher gewünscht: Das Finale, die ganzen rasanten Enthüllungen und das Schicksal einiger Charaktere. Das zeigt aber auch, wie gut mir „Sakura“ gefallen hat, denn ein wenig schwer fiel mir der Abschied von den lieb gewonnenen Charakteren schon.

Fazit

Ich ziehe meinen Hut vor der Autorin für die knallharte und realistische Story, in der sie es weder der Protagonistin noch dem Leser leicht macht! Das System mit den Ebenen ist wirklich gut durchdacht und birgt so manche Überraschung … Ich fieberte jederzeit mit der mutigen Juri mit, die sich in allen Lebenslagen selbst treu bleibt, und bin ihr gern durch das Abenteuer ihres Lebens gefolgt.

Wer übrigens anhand des Klappentextes und des Covers eine seichtere Story à la Selection erwartet, mit Palastintrigen, schönen Kleidern, einem Kampf um den Prinzen etc., der könnte nicht weiter daneben liegen … ;) „Sakura“ ist düster, dreckig, authentisch und unvorhersehbar – eine Jugenddystopie, wie man sich wünscht, dass sie im Buche steht!

Bewertung

Kim Kestner: Sakura. Die Vollkommenen | Arena Verlag digi:tales | 408 Seiten | 978-3-401-84001-7 | 3,99 Euro

Sakura: Die Vollkommenen bei Amazon

Previous Post Next Post

You Might Also Like

2 Comments

  • Reply {Lese-Logbuch} Kristinas August 2018 | Tintenmeer 6. November 2018 at 16:08

    […] geht es leider weiter mit den Enttäuschungen und ein bisschen Meckerei. Kim Kestners „Sakura – Die Vollkommenen“ habe ich über alles geliebt und gefeiert und „Anima“ wollte ich deshalb schon lange […]

  • Reply Anna (Wörterwald) 1. Dezember 2019 at 17:45

    Ich persönlich habe das Buch ja geliebt^^

  • Leave a Reply