Amelia ist tot. Zumindest auf dem Papier …
Gemeinsam mit einer Handvoll Verbündeten arbeitet sie daran, die Superior Human Society zu zerschlagen. Eine wesentliche Waffe in diesem Kampf ist Amelia selbst und ihre neue Gabe. Die lässt sich nur leider nicht so einfach in den Griff bekommen und das Training treibt sie an ihre körperlichen Grenzen. Ihre eigenen Bedürfnisse werden dem gemeinsamen Ziel untergeordnet und auch die Beziehung zu Nathan leidet.
Können sie die Superior Human Society tatsächlich zerstören?
Und wenn ja, zu welchem Preis? (Klappentext)
Rezension
Bereits Band 1 „Das dunkle Licht der Gaben“ hat mich spannend unterhalten und vor allem das aussichtsreiche Ende machte mir richtig Lust auf den Folgeband, in dem es hoffentlich rund gehen würde (so meine bescheidene Hoffnung – wir schauen gleich, ob sie erhört wurde)! Im Juli erschienen, im September gelesen und nun endlich für euch rezensiert – Vorhang auf für Superior Band 2! ?
Er setzt nur ein paar Wochen nach Band 1 ein und ich konnte mich schnell wieder in die Charaktere und Story hineinfinden und so kleine Gedächtnislücken ohne Probleme füllen. Die Geschichte wird aus mehreren Sichtweisen in der personalen Perspektive erzählt. Es kommen abwechselnd Amelia, Nathan, Sky, Catherine und Pandora (im Prolog) zu Wort.
Puh, ganz schöne viele verschiedene Sichtweisen, dachte ich mir zwischenzeitlich. Viele Charaktere klingen ähnlich, sodass ich öfter zurückklicken und schauen musste, aus wessen Sicht ich gerade lese. Da hätte ich mir den Fokus eher auf ein bis zwei Personen gewünscht. Andererseits waren die unterschiedlichen Eindrücke auch interessant und ergaben ein größeres Bild dieser Welt.
Es gab auch einige Sprünge in der Handlung, wie Szenenwechsel, die nicht durch einen Absatz gekennzeichnet waren, und manche Dinge wurden ein bisschen zu schnell abgehandelt. So fanden sich in Dialogen und Handlungen plötzliche Schwankungen und Sinneswandel, die mich dezent irritiert haben. Dadurch wirkte die ganze Geschichte wie ein bunter Flickenteppich, nicht wie ein großes Ganzes.
Irgendwann habe ich mich daran gewöhnt (oder es anscheinend ausgeblendet ^^) und bin zügig vorangekommen. Ich wollte auch immer wissen, wie es weitergeht, und Amelias geballte Emotionen konnten mich fesseln und berühren. Sogar mehr: Ich bin nachhaltig beeindruckt von dieser emotionalen Seite der Geschichte, die die Autorin konsequent weiterverfolgt. Denn das Augenmerk liegt mehr auf den Charakteren als auf der Story. Mehr Gefühle als Action. Das sollte man vielleicht wissen, damit man nicht mit falschen Erwartungen herangeht.
Trotzdem hätte ich mir (wie schon in Band 1) mehr Infos zu den wissenschaftlichen, dystopischen und politischen Hintergründen gewünscht. Diese werden zwar immer wieder thematisiert, aber da ich von Natur aus neugierig bin, habe ich immer noch etwas ungestillten Wissensdurst. ^^
Die Rebellion, auf die ich mich so gefreut habe – yeah tretet den Oberen mit euren besonderen Fähigkeiten in den Allerwertesten! -, wird eher im Geheimen und mit Bedacht geführt. Große Kämpfe und Aufstände bleiben aus, die Regierung soll klammheimlich gestürzt werden. Das war im Vergleich zu anderen Dystopien, die ich in letzter Zeit gelesen habe, wirklich erfrischend realistisch und klischeefrei. Hut ab dafür, liebe Anne-Marie!
Die Charaktere zweifeln permanent an ihren Zielen und Mitteln, die sie zum Erreichen dieser anwenden. Vor allem Amelia bremst dadurch die Handlung aus. ABER, und das muss ich hier großschreiben, sie hat ihre Gründe für dieses Verhalten: Sie ist immer noch psychisch angeschlagen, verletzt und unsicher wegen der grausamen Experimente, die mit ihr gemacht wurden.
Es hätte nicht gepasst, wenn sie plötzlich zu einer echten Kick-Ass-Heldin mutiert wäre. Dennoch hätte ich mir etwas mehr Mut, Willenskraft, Pfeffer und weniger Zweifel gewünscht! Oder wenigstens ihr freches Mundwerk aus Band 1, das hier nur ab und zu zum Einsatz kommt, in Kabbeleien mit Nathan und Erin. :D
Ganz besonders gefiel mir, dass die Autorin keine Schwarz-Weiß-Malerei betrieben hat. Das Leben besteht nun mal aus Zwischentönen und nichts ist an sich gut oder böse, wir Menschen machen es nur dazu. Das kam hier sehr schön rüber, denn auch gute Charaktere haben schlechte Seiten und die schlechten Charaktere ihre guten.
Der Hauptfrage: „Was bist du bereit, für die Sache zu opfern?“ wird genügend Raum gegeben. Das war das eigentlich Faszinierende an „Superior – Im Windschatten der Lüge“ und dafür bin ich der Autorin sehr dankbar. Ich konnte einige Denkanstöße mitnehmen und das ist es doch, warum ich eigentlich lese. ?
Die Ereignisse am Ende kamen dann schon wieder etwas zu abrupt und das große, actionreiche Finale, das ich erwartet hatte, blieb aus. Trotzdem ist das Ereignis am Schluss plausibel und die Handlung eines gewissen Charakters spaltet sicher die Gemüter. Die letzten Enthüllungen bieten einen kleinen Ausblick auf Amelias Zukunft und man kann sich vorstellen, worauf der Abschlussband hinarbeitet, den ich auch unbedingt lesen möchte!
Fazit
Wie ihr seht, hatte ich so meine kleinen Problemchen mit Teil 2. Dennoch bin ich froh, diese ungewöhnliche Dystopie gelesen zu haben! Denn sie konnte mich mit authentischen, unperfekten Charakteren und vielen Emotionen fesseln. Der Fokus der Story ist auf die persönlichen Opfer gerichtet, die jeder in Zeiten des Umbruchs bringen muss, und stellt die Frage: „Wenn du für die Freiheit kämpfst, welchen Preis bist du bereit zu zahlen?“ Danke, liebe Anne-Marie für die grauen Zwischentöne und die vielen Denkanstöße, so muss das bei einer Dystopie sein!
Bewertung
Anne-Marie Jungwirth: Superior – Im Windschatten der Lüge | Drachenmond Verlag | 380 Seiten | ISBN: 978-3-95991-227-3 | 14,90 Euro
1 Comment
[…] hatte zwar auch ein paar kleinere Kritikpunkte und Durchhänger (siehe meine Rezension), aber besonders die ruhige und realistische Entwicklung der Story überzeugte mich. Hier gibt es […]